Wir haben Bronze bei der EM gewonnen!
- Josefine Heinemann
- 2 minutes ago
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Vom 05.10.-14.10. stand in Batumi die diesjährige Team-Europameisterschaft auf dem Plan. Für die Mannschaft wurden in diesem Jahr Dinara Wagner, Hanna Marie Klek, Lara Schulze, Kateryna Dolzhykova und ich nominiert.
Ich reiste bereits am 29. nach Batumi, denn da gab es einen Direktflug aus Baku und die Alternative, zwei Tage später über Istanbul zu reisen, schien mir nicht besonders sinnvoll. Ich wollte ohnehin ein paar Tage früher anreisen, um mich schon etwas zu akklimatisieren und vor allem um etwas Pause vor dem Turnier zu machen. Und genau das habe ich dann auch getan. In den nächsten Tagen war ich täglich spazieren und laufen, auch wenn der regelmäßige Regen mich zu gutem Timing zwang. Vormittags stand ansonsten noch das Wiederholen von Eröffnungen auf dem Plan, alles wo ich mich unsicher fühlte und das ich für dieses Turnier für wichtig erachtete. Am Nachmittag habe ich dann etwas Schach trainiert, hauptsächlich Taktikaufgaben, um meinen Blick für das Turnier zu schärfen. Der Rest der Mannschaft kam dann auch am 1.10. Am Zeitplan hat das allerdings nichts geändert, nur haben wir am Nachmittag die Taktikaufgaben eben gemeinsam gelöst.

Am 5.10. startete dann das Turnier und wir spielten in der ersten Runde erst einmal ohne unser Spitzenbrett Dinara Wagner, sodass ich hinter Hanna Marie Klek an zwei spielte -gegen die dritte Mannschaft von Georgien. Das war deren Nachwuchsmannschaft und dementsprechend auf jeden Fall ein schwereres Los, als es die Zahlen vielleicht andeuten. Auch der Partieverlauf war nicht so klar, wie das Ergebnis am Ende scheint, denn Hanna Maries Partie endete zwar sehr, sehr schnell Remis, aber dafür bekam Lara recht schnell eine unangenehme Stellung. In meiner Stellung war lange nichts los, sodass es nicht absehbar war, ob wir dort einen vollen Punkt rausholen können. Kateryna konnte früh einen Bauern gewinnen, landete dann aber leider in einem Turmentspiel, das theoretisch Remis war. Dennoch, am Ende übertrieb es meine Gegnerin ein wenig und auch Kateryna gelang es noch, dieses Turmentspiel zu gewinnen, während Lara ihre Stellung halten konnte, sodass wir mit 3 zu 1 sehr, sehr gut anfingen. Meine Partie habe ich in folgendem Video analysiert:
In Runde 2 ging es gegen das Team aus der Türkei. Auch das ist ein recht gefährliches Team, gegen das wir aber immer noch favorisiert waren. Meine Gegnerin überraschte mich in der Eröffnung und ich reagierte sehr schlecht, sodass ich schnell eine unangenehme Stellung bekam. Auch Hanna-Marie und Dinara entglitt die Partie im Mittelspiel ein wenig. Das einzig Gute zu diesem Zeitpunkt war, dass Lara sehr schnell großen Vorteil mit Schwarze erarbeiten konnte:

Hier fand sie die starke Fortsetzung: 21...h5 22. Txe8 Txe8 23. Lxg6 Th8 und Weiß muss entweder auf d4 die Qualität geben oder verliert den Springer auf g4.
Dies wurde die längste Partie des Matches, dennoch stand der Sieg für uns hier nie in Frage.
Hanna Maries Gegnerin willigte schnell in einer besseren Stellung in eine dreifache Stellungswiederholung ein und meine Gegnerin schmiss ihre Gewinnstellung in Zeitnot weg. Auch Dinara konnte mit schwungvollem Spiel genug Kompensation für zwei fehlende Bauern bekommen und remisierte. In dieser Runde sah man sehr deutlich, dass das Glück auf unserer Seite war.
Am nächsten Tag spielten wir dann gegen die Favoritinnen des Turniers - Georgien 1. Vor einigen Jahren, brachten sie noch einen Eloschnitt von circa 2500 mit zu diesem Turnier. Inzwischen sind die Spielerinnen zwar etwas schwächer geworden, aber dennoch führten sie die Setzliste mit knapp 50 Elopunkten Vorsprung an. Überraschenderweise sollte dies das überzeugendste Match werden, das wir in diesem Turnier gespielt haben. An allen Brettern konnten wir uns Vorteile erarbeiten. Bei Kateryna ging es zwischendurch auch mal wieder bergab und sie stand nicht so gut, aber in Zeitnot konnte sie ihrer Gegnerin dann eine Qualität abluchsen. Dinara und ich hatten mit Schwarz wenig Probleme gegen Nana Dzagnize und Lela Javakhishvili und remisierten diese Partien am Ende aber wohl eher aus der Position der Stärke. Hanna Marie spielte eine sehr beispielhafte Partie gegen Nino Batsiashvili, gewann diese und sicherte so am Ende den Teamsieg, denn Kateryna gab ihre Stellung mit Mehrqualität Remis. Diese war absolut nicht einfach zu gewinnen und dementsprechend war das Remis auch in Ordnung und es reichte ja zum 2,5 zu 1,5.

Zur Feier des Tages gab es eine große Portion Khinkali mit Dinara und Hanna Marie!

In Runde 4 spielten wir dann gegen Aserbaidschan - gewissermaßen unsere Angstgegnerinnen. In den letzten Jahren verloren wie immer aus sehr aussichtsreichen Positionen. Ich setzte aus und dieses Match von außen zu betrachten, war purer Stress, denn wir handelten uns sehr schnell zwei Verluststellungen an den Schwarzbrettern 2 und 4 ein. Doch dieses Jahr sollte alles anders kommen. Kateryna konnte ihre Verluststellung sogar noch in einen Sieg drehen und Hanna Marie hielt ihre Stellung irgendwie zusammen, sodass die beiden Remis an 1 und 3 zum Mannschaftssieg ausreichten. Das Glück war weiter auf unserer Seite und mit vier Siegen aus vier Matches, waren wir richtig gut dabei! Zur Feier der ersten Turnierhälfte bekamen wir es mit der einzigen Mannschaft zu tun, die auch alle vier Matches gewinnen konnte - Polen. Dieses Team konnte uns im letzten Jahr bei der Olympiade in Runde 10 schlagen und auch dieses Mal lief es leider nicht rund für uns.

Leider verpasste Lara hier eine schöne Taktik von Schwarz: 19...fxe5 20. dxe5 d4 und Weiß verliert eine Leichtfigur, da der Springer auf f4 in der Luft rumhängt. Sie versucht mit 21.Dh5 die Dinge noch zu verkomplizieren, allerdings behielt Schwarz einen ruhigen Kopf und brachte die Partie sauber nach Hause.
An den Brettern 2 und 4 verliefen die Partien recht ausgeglichen, wobei ich mich lange verteidigen musste, was mir erfolgreich gelang, aber wo sollte der Sieg kommen? Da kam Dinara ins Spiel! Auch sie hatte nach der Eröffnung ein sehr schlechte Stellung mit Weiß, da sie offenbar in einer sehr scharfen Variante etwas verwechselte. Aber nach langem Kampf erreichte sie folgende Stellung:

Hier hatte Dinara einen Zug lang die Chance, den Ausgleich für uns zu erzielen. Mit 48. Kh5 a2 49. Tgg6 Df7 50. Ta8+ Kh7 51.h4 konnte sie Schwarz in Zugzwang bringen. Leider verpasste sie diese Möglichkeit am Ende einer sehr langen komplizierten Partie und auch diese Partie endete Remis. Damit verloren wir unser erstes Match. Und auch am nächsten Tag sollten die Gegnerinnen nicht viel leichter werden, denn es ging gegen die Ukraine. Diese sind trotz des Fehlens der Muzychukschwestern ein sehr starkes Team und sie überraschten uns damit, dass ihre Nummer 1 aussetzte. So war das Match elomäßig völlig ausgeglichen und auch auf den Brettern passierte nicht allzu viel. Die besten Gewinnchancen bekam wohl ich, denn meine Gegnerin opferte(oder stellte ein?) einen Bauern für die Initiative, die aber nicht so stark war, wie erhofft.

Naatalia Zhukova versucht gerade die e-Linie zu erobern und dann im Optimalfall auf e7 einzusteigen. Ich habe mir hier nach 22...a5 23. Db5 Txe1+ 24. Txe1 Dc7 25.Lb6 wohl etwas zu viele Sorgen um die schwarze Stellung gemacht, denn tatsächlich kann man den Turm über a6 aktivieren und dann muss Weiß erstmal zeigen, was man für den Bauern hat. Stattdessen entschied ich mich mit 22...Ld7 den Bauern zurückzugeben und so die Stellung zu vereinfachen. Das löste alle Probleme, gab aber auch alle Chancen auf Vorteil ab und so endete die Partie genau wie die anderen drei Remis.
Vor dem Ruhetag und nach den ersten zwei Dritteln des Turniers lagen wir somit auf dem geteilten zweiten Platz und hatten eine fantastische Ausgangsposition, denn wir hatten bereits gegen die Nummer 1,2,3 und 4 der Setzliste gespielt. Das einzig Schlechte war, dass Polen mit 6 Siegen schon so gut wie 1. zu sein schien.

Unser Ruhetag machte seinem Namen alle Ehre und so passierte neben einem 2-stündigen Spaziergang am Morgen und ein wenig Vorbereitung am Nachmittag nichts besonderes.
Nach dem Ruhetag ging es dann gegen Rumänien - auf dem Papier ein sehr angenehmes Los, aber auch nicht zu unterschätzen, denn vor dem Ruhetag schlugen sie Bulgarien.
Da wir am Ruhetag viel Zeit hatten, entschieden wir uns alle, uns gegen zwei Gegnerinnen vorzubereiten oder zumindest zu entscheiden, welche Eröffnung wir gegen diese spielen. Und ich entschied mich, gegen beide mögliche Gegnerinnen Najdorf zu spielen.
Die Rumäninnen überraschten uns mit ihrer Aufstellung, denn die rumänische Nummer 2 setzte aus, obwohl sie zwei Tage zuvor eine sehr wichtige Partie gegen Bulgarien gewinnen konnte. Hanna Marie zeigte tolle Vorbereitung und gewann eine absolute Glanzpartie gegen Mihaela Sandu. Meine Gegnerin spielte eine Variante, die sie selbst zwar zuvor noch nie gespielt hat, die aber Sandu schon gespielt hat und die wir somit am freien Tag angeschaut haben. Ich habe eine sehr angenehme Stellung aus der Eröffnung bekommen, aber dann total den Faden verloren und stand sehr, sehr schlecht, bis meine Gegnerin eine kleine taktische Idee von mir übersehen hat.

Hier konnte ich mich mit 32...axb5 33. cxb5 d5! befreien. Es folgte 34. Txc7 Dxc7 35. Sxd5 und nach 35...Lxd5 36. exd5 Dxa5 steht Schwarz sogar etwas angenehmer. Ich konnte aber nicht viel aus dieser Stellung machen und so endete diese Partie nicht lange, nachdem auch Brett 4 Remis ausging, ebenfalls Remis.
Leider bekam auch Dinara eine ziemlich schlechte Stellung gegen Irina Bulmaga. Diese verpasste in gegenseitiger Zeitnot allerdings einige forcierte Wege zum Sieg, sodass nach der Zeitkontrolle ein Remis am wahrscheinlichsten erschien. Aufgrund des Spielstandes, spielte Bulmaga aber immer weiter auf Gewinn, bis Dinara schließlich einen Bauern nach dem anderen schlagen konnte und die Partie sogar noch gewann. 3:1 in Runde 7, war ein sehr gutes Ergebnis und offensichtlich war uns Caissa immer noch wohlgesonnen. Das zeigte sich auch in der Auslosung: Mit Griechenland bekamen wir in Runde 8 eine vergleichsweise schwache Mannschaft(im verglichen mit den anderen Optionen wie Armenien). Allerdings sollte auch das kein leichtes Match werden, denn gerade Stavroula Tsolakidou spielte am ersten Brett groß auf.
Glücklicherweise lief es an den hinteren Brettern sehr gut und Lara und ich konnte beide souverän gewinnen. Bei Hanna Marie liefen die Dinge etwas aus dem Ruder, nachdem sie eigentlich sehr gut aus der Eröffnung gekommen war:

Hanna Marie schwächte sich hier unnötig mit 34...g6? und nach 35. Df4 Db5 36.h5 Dd3 hatte Weiß die Möglichkeit mit 37. Dh4 die Partie im höheren Sinne zu beenden. In Zeitnot wählte die Griechin aber 37. Dg4 und nach 37...Sf5 38. hxg6 Lxg5 39. Sxf5 exf5 wäre die Stellung nach 40. gxf7+ ausgeglichen, stattdessen folgte aber 40. Dxg5?? Dh3#.
Am Ende war diese Partie entscheidend für das Endergebnis, denn Dinara verlor ihre Partie gegen Tsolakidou recht deutlich. Mit diesem Sieg, hatten wir eine Medaille fast sicher, aber eben nur fast!
Am nächsten Tag hieß es: Polen(14) - Aserbaidschan(10) Armenien(11) - Ukraine(13) Deutschland(13) - Bulgarien(10)
Optisch sah unsere Feinwertung vor der letzten Runde überragend aus, aber ein hoher Sieg von Armenien gegen die Ukraine und eine hohe Niederlage von uns, hätte uns schnell die Medaille kosten können. Und natürlich hatten wir auch noch theoretische Chancen auf Gold. Die beendete Polen aber schnell mit einem souveränen 2,5:1,5 Sieg. Unser Match gegen Bulgarien verlief leider nicht so vielversprechend, was vor allem daran lag, dass ich nach einigen schlechten Entscheidungen in dieser Stellung landete:
Leider funktionierten die taktischen Ideen besser für Schwarz als für Weiß und so konnte ich diese Partie nicht retten.
Dinara spielte recht schnell Remis und somit hing es an Hanna Marie und Lara, dieses Match noch zu drehen. Hanna Marie hatte im Endspiel sogar einige Chancen, verpasste diese jedoch. Lara verlor in Zeitnot den Faden und fand sich nach Zug 40 in einer Verluststellung wieder. Da ein Remis zum Mannschaftssieg reichte, sagte der bulgarische Kapitän seiner Spielerin jedoch, dass sie Remis bieten solle und so endete dieses Match mit 1,5:2,5 zu unseren Ungunsten.
Da Armenien und die Ukraine sich 2:2 trennten, sicherte sich die Ukraine die Silbermedaille und für uns blieb Bronze.
Das war die erste Medaille für die deutschen Frauen seit 1978 und dementsprechend trotz der Niederlage in der letzten Runde ein großer Erfolg!
Möglich gemacht wurde das durch eine starke Mannschaftsleistung, denn insgesamt gewannen wir nur 10 von 36 Partien, während wir drei verloren. Am Ende trotzdem 6 Matchsiege und ein Unentschieden zu haben, zeigt, dass wir unsere Siege gut aufgeteilt haben :) In einigen Stellungen haben wir gesehen, dass es bei diesem Turnier durchaus gut lief und viele Matches auch hätten anders laufen können, aber jeder hat mal Glück!

Für Hanna Marie und Kateryna sprangen sogar noch Brettmedaillen dabei heraus(Bronze und Gold!). Sehr starke Leistungen, die wesentlich für den Erfolg des Teams waren. Möglich gemacht, wurde dieses erfolgreiche Turnier auch durch unsere Trainer vor Ort: Bundestrainer Zahar Efimenko und Sekundant Vladimir Baklan. Ich weiß, dass viele von euch die Daumen gedrückt haben, auch wenn ich während des Turniers nicht so gut erreichbar war, dafür möchte ich Danke sagen!
Tatsächlich gibt es noch etwas Positives über das Turnier zu berichten:

Tatsächlich habe ich sogar eine komplette Medaillensammlung(Gold, Silber Bronze) aus Batumi mit nach Hause nehmen können. Ihr fragt euch wen ich dafür beklaut habe? Mein Mann gewann Silber mit dem Team und Gold am 3. Brett(ich bin so stolz!)
Hinter uns liegt also ein sehr erfolgreiches Turnier. Mit meinen Partien bin ich im Großen und Ganzen auch zufrieden, aber wenn ihr dazu weitere Details wollte, solltet ihr in den nächsten Tagen meinen Youtubekanal besuchen, denn dort werde ich alle Partien einzeln analysieren :) Bis zum nächsten Mal, Eure Josefine