Deutsche Meisterschaft und IM-Normturnier in Rosenheim
- Josefine Heinemann
- Jun 5
- 7 min read
Vom 14.05.-23.05. fanden in München die diesjährigen deutschen Meisterschaft statt. Dabei wurde das German Masters der Frauen zum ersten Mal in deutsche Meisterschaft umbenannt und so ging es in unserem Rundenturnier auch endlich um den Titel "Deutsche Meisterin". Mit der Ausnahme von Elisabeth Pähtz nahmen alle deutschen Spitzenspielerinnen teil, sodass das Turnier sehr spannend werden sollte.
Die Eröffnung fand in der Münchener Schachakademie, von Sponsor Roman Krulich und Präsidentin des DSB Ingrid Lauterbach. Startnummern wurden etwas überraschend alphabetisch gezogen(meistens geht es nach Elo) und so kam ich recht früh dran und war glücklich über die Nummer 5, denn diese bedeutete fünf Weißpartien. Nachdem alle ihre Startnummern gezogen hatten, gab es noch ein kleines Buffet, mit sehr leckerem italienischem Essen. Allerdings zog es mich dann recht schnell in mein Zimmer, um die Vorbereitung gegen meine erste Gegnerin Lara Schulze zu starten. Gespielt wurde jeden Tag um 15 Uhr in der BlackBox im Gasteig. Für Getränke und Snacks war gesorgt, sodass wir für die Partien gut ausgestattet waren.

Da sehr breit über das Turnier berichtet wurde, möchte ich hier vor allem auf die für mein Abschneiden kritischen Momente eingehen: Nach zwei mehr oder weniger ausgeglichenen Remispartien, in denen ich durchaus Chancen auf mehr hatte, aber zumindest ohne grobe Patzer spielte, ging es in Runde vier gegen Dinara Wagner. Sie überraschte mich in der Eröffnung mit der Holländischen Verteidigung und konnte zunächst ausgleichen. Allerdings machte sich irgendwann bemerkbar, dass sie auch keine Erfahrung in diesen Strukturen hat und wir erreichten folgende Stellung:

Aufgrund der besseren Bauernstruktur ist die weiße Stellung deutlich angenehmer und Weiß sollte sich vor allem darauf fokussieren, das schwarze Gegenspiel einzudämmen. Offensichtlich möchte Schwarz mit 21...Taf8 den Bauern auf f2 angreifen. Das könnte man ziemlich leicht mit 21. Tad1 Taf8 22. Td2 verhindern und Weiß stünde einfach besser. Stattdessen versuchte ich, mich taktisch gegen die schwarze Idee zu wehren und spielte 21. Lg2. Die Idee war, nach 21...Taf8 22. f4 zu spielen, doch als die Stellung auf dem Brett war, realisierte ich, dass Schwarz 22...Lf5 hat und ich den f-Bauern verliere. Daher verzichtete ich auf 22.f4 und spielte stattdessen 22.f3. Allerdings wurden meine Züge nach 22...Ld5 nicht viel besser und so verlor ich bald den f-Bauern ohne Kompensation und so auch die Partie.
Dieser Verlust war natürlich ein herber Rückschlag für meine Turnierambitionen und vor allem super unnötig. Ich hatte die Hoffnung am nächsten Tag gegen Charis Peglau direkt zurückschlagen zu können, doch diese machte mir mit einer soliden Partie einen Strich durch die Rechnung - Remis. In Runde 5 konnte ich gegen Lisa Sickmann endlich meinen ersten Sieg einfahren - ich stand direkt aus der Eröffnung sehr gut, spielte aber nicht so gut weiter und so wurde es noch ein langer Kampf. Dennoch war ich froh, wieder bei 50% zu stehen und so mit einer guten zweiten Hälfte noch Chancen auf das Podest zu haben.

Bis zur 8. Runde lief es auch nicht schlecht - zwei solide Remis gegen Hanna Marie Klek und Kateryna Dolzhykova und ein recht überzeugender Sieg gegen Tetyana Kostak. In Runde 9 spielte ich dann mit Weiß gegen Fiona Sieber und es war sehr wahrscheinlich, dass ein Sieg zumindest für den geteilten 3. Platz reichen würde.

Ich kam sehr gut aus der Eröffnung und konnte diese Stellung erreichen, in der ich das Läuferpaar habe, der schwarze König geschwächt ist und die weiße Bauernstruktur mobiler. Hier wäre wohl der besten Plan, den Läufer auf g2 mithilfe von h3-h4 zu aktivieren und die geschwächten weißen Felder bei Schwarz anzuvisieren. Stattdessen spiele ich 17.f4, was erstmal nicht viel verdirbt, aber Weiß das Leben deutlich schwerer macht. Es folgte 17...b5 und statt auf b5 zu schlagen und das schwarze Gegenspiel im Keim zu ersticken, spielte ich 18. Ld2 bxc4 19. dxc4.

Weiß steht immer noch etwas besser, aber es ist schon nicht mehr so leicht Fortschritte zu erzielen, weil Schwarz droht, mit ...e6-e5 das Zentrum völlig zu blockieren und so die weißen Läuferdiagonalen zu schließen. Daher entschied ich mich nach 19...Tc8 20.e5 zu spielen und einen Bauern zu opfern, um meine Läufer zu aktivieren. Dieses Opfer ist spielbar, vergibt aber auch den Rest des kleinen weißen Vorteils und da ich wenige Züge später zweizügig eine Qualität einstellte, verlor ich diese Partie.
Wenn man diese Niederlage mit der gegen Dinara vergleicht, ist ein klares Muster erkennbar: Ich hatte eine strategisch dominante Stellung, nahezu ohne Risiko, wenn es mir gelingt, das Gegenspiel zu unterbinden. In beiden Fällen habe ich meinen Gegnerinnen eher zu Gegenspiel verholfen und anschließend wenig Gegenwehr geleistet.

Am Ende teilte ich mit 4,5/9 den 5.-8. Platz, wurde aber wegen der schlechtesten Feinwertung 8. Die Punktzahl enttäuscht mich mehr als die Platzierung, obwohl ich zugeben muss, dass 8. von 10 schon sehr schlecht klingt :) In diesem Turnier haben sich meine typischen Probleme wieder recht deutlich gezeigt: Eigene Chancen nutze ich zu unregelmäßig, dazu gesellen sich einige grobe Patzer, und ich schaffe es nicht mehr, mich zurückzukämpfen. Am Ende gewinne ich dadurch wenige Partie und die Verluste sorgen dafür, dass ich 50% hole.
Abgeschlossen wurde das Turnier bei einem Galaabend im Hofbräukeller am Wiener Platz. Die Siegerehrungen aller Turniere wurden begleitet von einem Abendessen und Musik.
Nach einem enttäuschenden Turnier war ich recht froh, dass ich bald die Chance bekommen sollte, es besser zu machen, denn schon zwei Tage später spielte ich in Rosenheim bei einem IM-Normturnier. So reiste ich am Samstag von München nach Rosenheim und macht mich dort bereit, am Sonntag die erste Runde zu spielen.
Das Turnier begann ähnlich, wie die Deutsche Meisterschaft in München aufhörte - ein solides Remis in der ersten Runde und ein unnötiger Verlust in Runde 2:

Schwarz steht hier aufgrund der Bauernschwächen auf a4 und c3 sehr gut. Die Hauptfrage ist, wie man diesen Vorteil verwerten möchte. Ich hatte es hier etwas eilig und spielte 25...f6, wonach Weiß mit 26. f3 Sc5 27. Dc2 Dd7 28. Te1 etwas Gegenspiel bekam. Die Stellung ist immer noch gut für Schwarz, aber genaue Berechnungen waren nötig, daran scheiterte ich und es gelang mir nicht den Vorteil zu behalten. Stattdessen wäre es schlauer mit 25...Tec8 zu starten. Nach 26. Sc6 Sc5 27. Dc2 ist das Qualitätsopfer 27...Txc6 sehr gut. Schwarz wird auf jeden Fall bald einen zweiten Bauern für die Qualität gewinnen und die dominante Figurenstellung behalten, ohne den eigenen König zu schwächen.

Einige Züge später erhielten wir in der Partie diese Stellung und hier konnte ich mit 34...Sd3 35. Se3 Sxe5 36. fxe5+ Ke6 37. Sxc4 dxc4 38. Tf1 Td3 das Remis mehr oder weniger forcieren. Ich wollte den Traum vom vollen Punkt aber noch nicht aufgeben und spielte stattdessen 34...Txc3(was objektiv noch okay ist) 35. Se3 Td3, doch nun nach 36. g4 verlor ich schnell den Faden und dann auch die Partie.
Wieder das Muster, das bereits bei der Deutschen Meisterschaft zu beobachten war - sehr gute/gewonnene Stellung, etwas Gegenspiel zugelassen und direkt zusammengebrochen. Natürlich ärgerte mich auch diese Niederlage sehr, zum einen weil sie sehr unnötig war und zum anderen, weil nun nach 2 Runden die Norm bereits in weite Ferne gerückt war. Es folgten zwei solide Remispartien, bis ich am Nachmittag des einzigen Tages mit einer Doppelrunde gegen den einzigen IM im Feld spielte:

Schwarz spielte etwas ungenau in der Eröffnung und hatte große Probleme, den König in Sicherheit zu bringen. Er versuchte die weiße Dame mit seinem letzten Zug einzuschränken, jedoch verpasste er hier eine nette Taktik: 13. Lxg5 und der weiße Läufer ist tabu, da nach 13...Lxf5 14. Sd6+ Ke7 15. Df7# sofort Matt ist. So konnte ich einfach einen Bauern gewinnen und mein Springer kam im nächsten Zug trotzdem nach d6. Der schwarze König konnte das nicht mehr lange tolerieren und ich gewann diese Partie. Gerade bei einer Doppelrunde ist so ein kurzer dominanter Sieg sehr angenehm und ich war wieder etwas optimistischer was die zweite Turnierhälfte anging. Die Runden 6 und 7 waren aus meiner Sicht dabei wegweisend, denn ich spielte gegen die beiden GMs im Turnier und wenn ich gegen diese ungeschlagen bleiben würde, hätte ich gute Chancen, in den letzten beiden Runden noch ein positives Ergebnis zu erzielen. Es klappte auch gut und gegen beide GMs gelangen mir solide Remis, wobei ich in beiden Partien eher auf der verteidigenden Seite war, aber auch keine großen Probleme hatte. In Runde 8 ging es dann gegen einen jungen Schweizer - Igor Schlegel. In einem komplizierten Mittelspiel, spielten wir beide nicht perfekt, bis es zu einer kleinen Rechenaufgabe kam(Weiß am Zug):

Die Variante, die hier zu berechnen ist, ist nicht allzu schwer, weil sie sehr forciert ist, aber die richtige Einschätzung am Ende könnte schwer fallen: 20. Lxc5 Sxc5 21. Sxe5 Dxe5 22. Dxe5 Lxe5 23. Txe5 Td1+ 24. Kh2 Sxb3(Desperado!). Bis zu diesem Moment ist alles forciert und die Frage ist, ob sich die beiden Bauern am Damenflügel einfach tauschen und die Partie Remis endet, oder ob Weiß noch irgendwie Druck aufrechterhalten kann. Nach beispielsweise 25. Lxb3 Txb1 26. Lc2 b3 27. Lxb1 bxa2 28. Lxa2 Txa4 29. Te8+ Kg7 30. Lxf7 gewinnt Weiß zwar einen Bauern, da aber ein Turmendspiel mit Bauern an einem Flügel entsteht,

nicht die Partie. Ich entschied mit daher für 25. Tb2 und tatsächlich ist die Stellung für Schwarz sehr unangenehm, da nach 25... Sa5 26. Ld5 Tb8 27. Sd2 Weiß diverse Drohungen hat und schon forciert einen Bauern gewinnt nach z.B. 27...Ld7 28. Lxf7+ Kxf7 29. Txa5. Schwarz hat immer noch Rettungschancen, aber mit wenigen Minuten auf der Uhr, verlor mein Gegner bald einen zweiten Bauern und die Partie. Somit hatte ich nach 8 Runden wieder einen positiven Score und konnte optimistisch in die letzte Runde gehen, die am nächsten Morgen stattfand. Ich erreichte ein angenehmes Mittelspiel, unterschätzte aber meine Angriffschancen und wickelte daher in ein ausgeglichenes Endspiel ab, welches bald Remis endete. Mit 5 Punkten landete ich sogar auf dem 3. Platz!

Insgesamt war das Mittelfeld in diesem Turnier sehr eng zusammen, daher ist die Endplatzierung nicht besonders aussagekräfig, aber ich bin sehr froh, dass ich nach der Niederlage in Runde 2 nochmal zurückkommen konnte und das Turnier positiv beendet habe.
Mein Dank geht auch an Peter Eberl und den Bayrischen Schachbund, die dieses Turnier jedes Jahr ausrichten. Es war toll organisiert, es herrschte eine familiäre Atmosphäre und ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, in diesem Jahr teilzunehmen.
Kommen wir nun zu einer kleinen "Endabrechnung" der beiden Turniere. Ich glaube meine Stärken und Schwächen kamen in beiden Turnieren sehr gut zum Tragen und zogen sich irgendwie durch:
- viele solide Partien, ohne große Schwankungen und daher viele Punkteteilungen
- einige verpasste Chancen
- zu oft Gegenspiel in guten Stellungen zugelassen und dann wenig Widerstand geleistet.
Gerade am letzten Punkt werde ich natürlich in den nächsten Wochen arbeiten, sodass das beim nächsten Turnier besser wird.
Bis zum nächsten Mal,
Eure Josefine
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