Ein von Zeitnot geplagtes Turnier
- Josefine Safarli

- 18 hours ago
- 7 min read
Am 8.11. flog ich aus Baku nach Taschkent und verbrachte dort die Nacht am Flughafen, bevor es am frühen Morgen weiter nach Dushanbe in Tadschikistan ging. Dort wurde ich zum Glück am Flughafen bereits erwartet und konnte direkt ins Hotel fahren, wo auch das Einchecken sofort möglich war. Da ich die Nacht wenig geschlafen hatte, habe ich mich entschieden, mich erst einmal zwei Stunden hinzulegen, bevor ich dann auf eine kleine Sightseeing-Tour ging. In der Stadt wollte ich den Palast der Nationen aufsuchen, der vom Rudaki Park umgeben ist. Dieser Park ist 12 Hektar groß und besteht bereits seit den 1930er Jahren.

In diesem Park gibt es einen der größten Fahnenstangen der Welt(165m hoch!), an der die tadschikische Fahne weht, bzw. an dem Tag wehte sie sehr wenig, sondern hing eher in der Luft.
Was mir auffiel, war, dass die Stadt recht leer war, es waren wenig Menschen zu sehen, und das, obwohl es ein Sonntag war und die Menschen eigentlich Zeit haben sollten. Aber trotz des schönen Wetters wirkte alles sehr verlassen.
Im Anschluss an meine kleine Sightseeing-Tour machte ich mich auf die Suche nach Mittagessen. Aufgrund der geografischen Nähe zu China sollte es viele uigurische Restaurants geben und ich wollte eines davon besuchen, weil ich es interessant finde, auch authentisches Essen zu probieren. Allerdings schickte mich Google Maps zu drei verschiedenen Locations, an denen überall kein Restaurant war, und ich gab dann etwas niedergeschlagen auf und entschied mich stattdessen in den Supermarkt zu gehen, mir etwas auf die Hand zu holen und mich natürlich auch mit Wasser für die nächsten Tage auszustatten.
Am Abend fand das Technical Meeting statt, bei dem die wichtigsten Regeln für das Turnier besprochen wurden. Im Großen und Ganzen natürlich nichts Neues, die Zeitkontrolle war 90 Minuten plus 30 Sekunden ohne Zugabe nach Zug 40. Was noch festzustellen war, insgesamt war das Turnier eher streng, denn man durfte wie bei offiziellen FIDE-Turnieren zum Beispiel auch weder Stifte noch irgendwelche Uhren mitbringen. Ist aber natürlich alles kein großes Problem, wenn man darauf vorbereitet ist. Auch die Farben für das erste Brett wurden ausgelost, sodass die Paarungen am gleichen Abend veröffentlicht werden konnten. Ich entschied mich aber früh ins Bett zu gehen, statt darauf zu warten und verschob die Vorbereitung auf den Vormittag.
In der ersten Runde spielte ich gegen den aufstrebenden indischen IM Ayush Sharma. Ich erwartete sehr sicher den Zug 1.e4 und wurde am Brett direkt überrascht, denn es kam 1.Sf3. Die Eröffnung lief trotzdem sehr gut für mich und es gelang meinem Gegner nicht mehr im Laufe der Partie irgendwelche Probleme zu stellen und so endete diese Partie recht ereignislos Remis. Zur Belohnung spielte ich dann in der zweiten Runde am Folgetag gegen den gerade frisch zum GM ernannten Russen Rudik Makarian. Die Vorbereitung gestaltete sich etwas schwierig, denn er hat ein breites Repertoire mit Schwarz, aber ich entschied mich für 1.e4 und wollte abwarten, was auf mich zukommt. Es kam Italienisch aufs Brett, ich konnte auch eine gute Stellung erlangen, spielte dann aber einige ungenaue Züge, sodass die Stellung abflachte und auch diese Partie recht ereignislos Remis endete. Am dritten Tag stand die erste Doppelrunde an. Am Morgen spielte ich mit Schwarz gegen den indischen IM Shete Sammed Jaykumar. Nachdem die Eröffnung ganz gut lief, kam eine sehr komplizierte Stellung aufs Brett, in der wir beide einige Schwierigkeiten hatten, die Komplikationen zu berechnen und vor allem einzuschätzen, sodass die Partie sicher nicht fehlerfrei war, aber trotzdem ungefähr im ausgeglichenen Bereich lag. Am Ende landete ich in einem Endspiel mit Turm. Springer und Bauer gegen Turm, Läufer und zwei Bauern, das recht problemlos Remis sein sollte. Allerdings gelang es mir bei tickender Uhr nicht, das Remis zu forcieren, und so ging die Partie immer weiter, bis die Stellung dann irgendwann nicht mehr Remis war und ich mich nach viereinhalb Stunden geschlagen geben musste.
Natürlich ist es schmerzhaft, so eine Partie zu verlieren, gerade wenn man dann am Nachmittag noch einmal spielen muss. Aber da die Partie doch sehr lange recht ausgeglichen war, war ich noch optimistisch, dass die nächsten Partien besser laufen würden. Am Nachmittag spielte ich dann gegen einen jungen iranischen FM Barad Yeganegi.
Die Partie war nicht fehlerfrei, aber dennoch bewegte sie sich sehr lange im ausgeglichenen Bereich und ich hatte lange wenig Risiko. Aber, wie schon in der vorherigen Partie, lief irgendwann die Zeit auf der Uhr ab und wir erreichten folgende Stellung:

In dieser Stellung war es am einfachsten für Weiß Ta1 zu spielen, um Sa2-c3 zu verhindern. Dann ist die Stellung zwar ausgeglichen, aber Schwarz kann den weißen König nicht mehr so richtig angreifen, weil der weiße Springer die beste Verteidigungsfigur ist. Und es scheint mir leichter zu spielen für Weiß, denn die schwarzen Bauern am Damenflügel sind anfällig. Mich verließ hier aber das Gefühl für die Gefahr ein wenig und ich spielte 33. Dxb5. Es folgte 33...Sa2 34. Ta1 Sc3. Nun spielte ich 35. Dc6, um die schwarze Dame an den e6-Bauern zu fesseln.

Mein Gegner hatte aber eine unangenehme Überraschung vorbereitet und spielte nun 35...Dg5. Die Idee ist, dass nach 36.Dxe6 Se2+ 37.Kf1 sofort an 37...Txf2+ 38. Kxf2 De3+ 39.Kf1 Sg3# scheitert. Ich hatte aber eine andere Idee und spielte nach 36...Se2+ 37.Kh1. Es folgte 37...Txf2 und hier spielte ich 38.Dg4 um den Damentausch zu erzwingen. Hier ereilte mich aber eine kalte Dusche. Mein Gegner fand eine Idee, die sich zuvor meiner Aufmerksamkeit völlig entzog.

Er spielte 38...Tf1+ 39. Kh2 Df4+ 40. Dxf4 exf4 und Weiß kann nichts gegen die Idee Sg3-Th1# machen. Ich wehrte mich noch einige Züge, am Ergebnis änderte das jedoch nichts.
Zwei Niederlagen an einem Tag und beide recht unnötig, das war bitter. Zum Glück stand am nächsten Tag wieder eine Einzelrunde an, und ich hatte ein wenig Zeit zur Erholung.
Ich entschied mich am Vormittag einen Spaziergang um den nahegelegenen See zu machen und etwas frische Luft zu schnappen.
Anschließend ging es an die Vorbereitung, die sich schwierig gestaltete, da mein Gegner sehr wenig Partien in der Datenbank hatte. Ich entschied mich Halbslawisch zu spielen und auch für Überraschungen bereit zu sein. Die Eröffnung lief zunächst gut, aber mir unterlief dann ein recht grober strategischer Fehler, nach dem ich eine problematische Stellung bekam. Ich konnte mich zwar noch etwas in die Partie zurückkämpfen, aber schwierig blieb die Stellung dauerhaft und am Ende konnte ich sie leider nicht retten.
Runde 6 und 7 fanden wieder als Doppelrunde statt und nachdem ich nun drei Niederlagen in Folge gesammelt hatte, wollte ich wirklich etwas für mein Punktekonto tun, auch wenn es vielleicht kein Sieg, sondern nur ein Remis wäre. Und das versuchte ich direkt am Morgen gegen meinen jungen usbekischen Gegner Shahzodbek Hamzaev.
Die Eröffnung lief gut und ich hatte in einem Moment die Chance auf klaren Vorteil. Nachdem ich diese Möglichkeit verpasste, blieb die Stellung kompliziert aber im ausgeglichenen Bereich. Mit wenig Zeit auf der Uhr erreichten wir folgende Stellung:

Zunächst war ich hier sehr zufrieden, da ich einen entfernten Freibauern hatte. Allerdings hat schwarze gute Kompensation, weil sich der Freibauer nicht so leicht bewegen kann und Schwarz mit ...Sc4 Gegenspiel generieren kann. Ich entschied mich meinen Springer zu aktivieren und spielte 39. Sc1(statt dem wesentlich besseren Sc3!). Der nächste Zug meines Gegners überraschte mich völlig 39...Tc2+. Ich geriet in Panik und spielte 40. Kg3, aber nach 40... Sc4 kann Weiß wegen der Drohung ...Se3 schon aufgeben. Ich zögerte dies noch einige Züge hinaus, konnte aber nicht mehr zaubern. Statt dem Panikzug 40.Kg3 wäre 40. Se2 noch völlig akzeptabel gewesen.
Nach der vierten Niederlage in Folge fragte ich mich ernsthaft, warum denn gar nichts zusammenlief. Die Partien waren an sich okay, lange bewegten sie sich im ausgeglichenen Bereich und dann warf ich sie normalerweise mit einem groben Fehler weg. Dabei wurde mir bewusst, dass ich vielleicht gerade eine Schwäche erkannt habe, die mir so nicht bewusst war. Und zwar, dass ich mit wenig Zeit sehr schlecht spiele. Das war mir nicht bewusst, weil ich einfach sehr selten in Zeitnot komme und wenn, dann meistens nur für wenige Züge, da nach Zug 40 meistens neue Zeit auf der Uhr dazukommt. Also entschied ich mich, ab jetzt einfach schneller zu spielen. Zu verlieren gab es eh nicht mehr so viel. Das klappte auch direkt besser und schadete der Qualität meiner Partien kaum. Hier die erste Partie, die ich mit dieser Einstellung spielte:
In der vorletzten Runde spielte ich gegen den jungen Usbeken Afruzbek Sobirov. Ich entschied mich in dieser Partie mit 1.c4 zu eröffnen, bekam auch eine etwas angenehmere Stellung, konnte dann allerdings nicht allzu viel rausholen. Bemerkenswert fand ich, dass mein Gegner in folgender Stellung Remis ablehnte:

Er versuche mit 26...a5 weiterzuspielen, doch Weiß hat natürlich keine echten Probleme und 10 Züge später endete die Partie doch Remis.
In der letzten Runde spielte ich gegen einen weiteren Usbeken - Bekhruz Umarov. Mit Schwarz hatte ich aus der Eröffnung keine Probleme, allerdings war die weiße Stellung auch sehr solide. So passierte nicht viel erwähnenswertes und auch diese Partie endete Remis. Aufgrund der vier Niederlagen in der Mitte des Turniers steht am Ende natürlich ein ordentliches Elominus. Aber zumindest konnte ich eine Schwäche(Probleme in Zeitnot) identifizieren, die mir nicht bewusst war und an der ich arbeiten kann. In diesem Jahr habe ich tatsächlich immer abwechselnd gute und schlechte Turniere gespielt, dementsprechend bin ich optimistisch, dass es ab dem 1.12. in Rom besser laufen wird :) Eine interessante Beobachtung über das Turnier möchte ich noch teilen: Inzwischen bin ich es gewohnt, dass ich nicht mehr zu den Nachwuchstalenten gehöre, aber bei diesem Turnier war ich vermutlich eine der fünf ältesten Teilnehmer. Das finde ich mit 27 Jahren ziemlich krass und zeigt aus meiner Sicht einmal mehr, wie sehr Schach in Asien in den letzten Jahren im Kommen ist. Auch bessere Turniere kommen wieder! Eure Josefine












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