Nach dem Mitropacup war mir eine kleine Pause vergönnt und schon ging es weiter mit Schach. Ab 01.03. stand für unseren Kader ein Trainingslager im Berliner Olympiapark an. Dabei standen unterschiedliche Theman auf dem Programm. Wie üblich gab es einige Studien, um uns rechentechnisch fit zu machen und Eröffnungslektionen. Das Hauptthema des Lehrgangs waren aber geschlossene Stellungen. Dabei haben wir vor allem Partien mit spanischer Eröffnung und Königsindisch besprochen und die üblichen Pläne diskutiert und analysiert. Dazu spielten wir auch eine Beratungspartie:
In dieser Stellung opferte Schwarz einen Bauern für die Öffnung der langen Diagonale. Wir spielten in 2-er Teams und hatten 45 Minuten für die ganze Partie. Die Stellungen, die wir spielen, sind immer ungefähr ausgeglichen und die Team teilen wir danach ein, wem welche Seite besser gefällt. Dann dürfen wir gemeinsam analysieren und ab und zu einen Zug machen :-). Dabei entstehen meistens sehr interessante aber auch hochwertige Partien.
Ich spielte in dieser Partie mit Weiß und leider verlor mein Team, nachdem wir in Zeitnot so lange diskutierten, bis wir es physisch nicht mehr schafften einen Zug auszuführen... Ein bisschen Abwechslung zum Schach muss natürlich auch sein, und so verbrachten wir jeden Nachmittag ein wenig Zeit mit Tischtennis, Fußball, Volleyball und Völkerball. Aber einmal planten wir auch etwas besoneres - eine Sightseeingtour durch Berlin. Ich war bereits so oft in Berlin, dass es für mich nichts Neues gab, aber das ging natürlich nicht allen Spielerinnen so.
Die Sightseeingtour wurde mit einem gemeinsamen Abendessen beim Italiener abgeschlossen und am nächsten Tag ging es wieder mit normalem Training weiter. Am 06.03. stand für mich schon die Abreise auf dem Plan, denn in Augsburg fand die internationale offene deutsche Frauenmeisterschaft statt. In der ersten Runde spielte ich gegen eine junge Inderin und in der Vorbereitung fiel mir auf, dass sie gegen Spanisch immer die Tschigorinvariante spielt. Nach unserem intensiven Trainingslager konnte ich natürlich nicht widerstehen.
Wir erreichten nach beiderseitig schnellem Spiel die Stellung in Diagramm 2. Hier spielte ich 15. bxc4 und nach 15...bxa4 16. c5 Dxc5 17.Sxe5!. Die Idee ist, dass nach schwarzem Schlagen 17...dxe5 18. La3 Dc7 19. d6 Weiß die Figur zurückgewinnt und einen starken Freibauern auf e7 bekommt. Meine Gegnerin entschied sich nicht zurückzuschlagen, hatte dann aber einen glatten Bauern weniger und und ich konnte die Stellung problemlos verwerten.
Am nächsten Morgen spielte ich zum ersten Mal in meinem Leben Ragozin, bekam aber schnell durch Zugumstellung eine Variante der Nimzoindischen Eröffnung. Meine Gegnerin kannte sich nicht gut aus und ich erhielt schnell eine strategisch angenehme Stellung. Meine Gegnerin sucht nach Gegenchancen und wollte hier am Königsfügel spielen. Nach 18... Dc6 19. Tac1 g6 steht Schwarz einfach besser. Allerdings spielte ich stattdessen sofort 18...g6 und nach 19. f5 hat Weiß sofort Dauerschach, weil ich schlagen muss und die Dame dann über g5 und f6 Schachs geben kann. Es folgte 19... gxf5 20. Dg5+ Kh8 21. Df6+ und die Partie endete Remis. Das war ziemlich fahrlässig und ärgerlich, aber es sollten noch 7 Runden folgen, in denen man es besser machen konnte. Am Nachmittag folgte ein recht ereignisloses Remis gegen Carmen Voicu-Jagodzinsky und ich konnte Kraft für die nächste Doppelrunde sammeln. Morgens gewann ich souverän mit meinem geliebten Najdorf und am Nachmittag ging es zur Belohnung gegen meine Mannschaftskollegin vom Mitropacup - Kateryna Dolzhykova. Sie kannte sich in der Eröffnung nicht gut aus und ich bekam schnell einen guten Angriff:
Zur Halbzeit des Turniers sah es also gut aus. Am nächsten Morgen ging es dann gegen Antonia Ziegenfuß, die bis dahin ein sehr starkes Turnier spielte. Nachdem ich eine strategische Ungenauigkeit beging, war ich gezwungen einen Bauern zu geben und ein unangenehmes Endspiel zu verteidigen.
Hier spielte ich 29...Ta1+, um den König auf die lange Diagonale zu zwingen. Nach 30. Kg2 Ta6 konnte Weiß nicht d6 spielen und ich konnte den Bauern erfolgreich blockieren. Natürlich ist die Stellung kein großer Spaß für Schwarz, aber bei vorsichtigem Spiel ist sie leicht haltbar und so konnte ich den halben Punkt retten. Ein weiterer halber Punkt folgte am Nachmittag gegen Klaudia Kulon. Leider war der Rest des Tages weniger angenehm, als die beiden halben Punkte. Ich hatte bereits seit dem zweiten Tag Magen-Darm-Probleme, die sich in der Nacht deutlich verschlimmerten. Ich spielte am Morgen noch eine schreckliche Partie gegen Nataliya Buksa und verlor verdient und entschied mich im Anschluss einen Arzt aufzusuchen, weil die Symptome leider nicht besser wurden. Die letzte Runde setzte ich dann aus und wurde so nur 9. Bitteres Ende eines soliden Turniers, aber manche Dinge hat man leider nicht in der Hand. Inzwischen geht es mir deutlich besser und ich bin sicher, dass ich spätestens am Wochenende wieder voller Energie mein Schachtraining fortsetzen werde :-).
Auch wenn das Turnier für mich nicht gut endete, sollte nicht untergehen, dass alles super organisiert war und dass Familie Jussupow einen tollen Job gemacht hat, die internationale offene deutsche Frauenmeisterschaft zu einem hochklassigen Turnier zu machen. In den Vorjahren war dieses Turnier sowohl in der Breite als auch in der Spitze deutlich schwächer besetzt und ich denke, ich kann für alle Teilnehmerinnen sprechen, dass die Atmosphäre sehr schön war und dass wir uns wünschen, dass das Turnier wieder in dieser Form ausgerichtet wird.
Als nächstes steht für mich die Fraueneuropameisterschaft an und da möchte ich natürlich gut vorbereitet sein. Bis dahin, Josefine
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