Vom 24.06.-02.07. fand in Dortmund die Sparkassen Chess Trophy statt. In diesem Jahr wurden vier Turniere ausgetragen - ein A-Open und ein B-Open, das NC (No Castling) Masters und der NRW Sportland Cup (ein Rundenturnier mit Normchancen). Ich nahm am A-Open teil und hoffte an mein gutes Ergebnis beim Kortschnoj Memorial wiederholen zu können. Gespielt wurde in den Westfallenhallen, auf dem Messegelände in Dortmund.
Der Spielsaal war geräumig und die Spitzenbretter spielten auf einer kleinen Bühne. Das Licht war tatsächlich etwas ganz besonderes. Der Saal war rötlich ausgeleuchtet und wirkt auf den ersten Blick recht dunkel. Am Brett merkte man davon aber gar nichts und alle Figuren waren gut erkennbar :-). In der ersten Runde saß mir direkt ein richtiger Brocken gegenüber - der langjährige Weltklassespieler Michael Adams. Vor knapp 10 Jahren hatte er noch eine Elo von 2761, nun ist er auf 2666 gefallen, ist aber selbstverständlich immer noch ein sehr starker Spieler. Die Partie war tatsächlich eine knappe Angelegenheit und ich habe sie im Detail für Youtube analysiert:
Leider musste ich mich letztendlich doch geschlagen geben und startete mit einer 0 ins Turnier. Allerdings war ich weiter optimistisch, da ich einen guten Kampf abgeliefert habe. In Runde 2 ging es dann gegen den jungen Rafael Sabirov. In dieser Partie war ich klare Favoritin, allerdings dauerte es recht lange bis ich mir Vorteile erspielen konnte. Kurz vor der Zeitkontrolle entstand die Stellung in Diagramm 1.
30. Dxb7 wäre hier wohl ausreichend zum Gewinn. Nach 30... Tc3 31. Sc4 De7 32. Db8+ und 33. De5 sollte Weiß sehr leicht gewinnen. Ich wollte aber lieber einen Turm statt einem Bauern gewinnen und spielte nach recht langem Nachdenken 30. Tc1??. Nach 30... Se2+ kann ich aufgeben, weil nach 31. Lxe2 der Turm mit Schach fällt und ansonsten schlägt der Springer den Turm. Aus Frust spielte ich noch einige Züge weiter, allerdings ließ mein Gegner nichts mehr anbrennen.
So eine Stellung wegzuschmeißen, war natürlich ein Schock und absolut kein guter Start ins Turnier.
Zu allem Überfluss spielte ich am nächsten Tag mit Schwarz und mein Gegner setzte mir das Morragambit vor. Ich kam eigentlich gut aus der Eröffnung, erreicht jedoch eine sehr unübersichtliche Stellung. Hier hat Schwarz die Möglichkeit mit 17...Sd5 18. Dxa5 Sxf4 19. Sc7+ Kf7 20. Sxa8 Txa8 eine Qualität zu opfern. Die entstehende Stellung ist in Diagramm 3 dargestellt.
Objektiv muss hier nur Weiß vorsichtig sein und aufgrund des starken Zentrums ist die schwarze Stellung praktisch angenehmer.
Die Partie am Vortag hat mich allerdings sehr mitgenommen und ich entschied mich stattdessen mit 17... Sc6 18. Db3 Sa5 19. Db4 Sa5 20. Db3 die Züge zu wiederholen und Remis zu machen. Rückblickend war das wohl keine schlechte Entscheidung für das weitere Turnier. So konnte ich mich am gleichen Tag etwas ausruhen und hatte die Chance über meinen Einsteller hinwegzukommen. Man weiß natürlich nie, wie es gelaufen wäre, wenn ich mich für die andere Variante entschieden hätte...
In Runde 4 startete für mich eine kleine U14-Meisterschaft. Es ging gegen den jungen Ungarn Bank Karacsoniy, der mit seiner ganzen Familie anreiste (sein großer Bruder und seine beiden großen Schwestern spielten auch im Turnier). Ich entschied mich ihn in der Eröffnung zu überraschen und erreichte schnell eine gute Stellung, die ich auch recht sauber verwertete.
Das war eine kleine Erleichterung. Am nächsten Tag ging es dann gegen den 14-jährigen Justus Sommer, der zuletzt bei der Deutschen Meisterschaft U14 einen Top10-Platz erreichte.
Er spielte die Eröffnung sehr solide, allerdings verschärfte sich die Stellung im weiteren Verlauf, da ich ihm zwei verbundene Freibauern am Damenflügel gewährte, um zwei starke Zentralbauern zu bekommen. In der Zeitnotphase verlor er etwas die Kontrolle über die Stellung und meine Figuren wurden sehr aktiv.
Hier spielte ich 44... d4 45. Dd1 d3 46. Sc4 Ld4 47. Se3 Lxe3 und gewann bald, weil der weiße König zu schwach ist und der weiße Läufer nicht mitspielt. Die schwarzen Freibauern sind zudem viel weiter fortgeschritten und erleichtern den Gewinn.
Auch in Runde 6 sollte mich die deutsche Jugend fordern, denn ich spielte gegen den 13-jährigen Tom Dordevic, der bei der Deutschen Meisterschaft nur einen Platz hinter Justus landete. Die Eröffnung lief gut für mich, da ich meinen Gegner mit einer seltenen Variante überraschte und er nicht die besten Ideen fand. In der Folge ließ ich allerdings einiges Gegenspiel zu und er startete einen Angriff königsindischer Art.
Hier gelang es mir mit einem kleinen taktischen Trick den schwarzen Angriff zu stoppen. Ich spielte: 34. Le2 Sxe2 35. Lxh4 Dxh4 36. Dxe2 und der weiße Turm kommt auf die g-Linie, der schwarze König fühlt sich unwohl und Weiß hat bereits zwei Bauern mehr. Ich konnte die Partie bald darauf gewinnen. Somit war das der dritte Sieg in Folge und ich hatte langsam das Gefühl ins Turnier gefunden zu haben. In Runde 7 spielte ich dann mit Schwarz gegen FM Heiko Kummerow. Er spielt ausschließlich 6.Lg5 gegen Najdorf und ich entschied meine neue Variante auszuprobieren und konnte recht problemlos ausgleichen ohne in eine superscharfe Stellung zu gelangen. In der Natur eines 6.Lg5-Spielers liegt es aber Material zu opfern, genau das tat mein Gegner und wir erreichten die Stellung in Diagramm 6.
Ein Bauer war ihm jedoch nicht genug und er setzte seinen Angriff mit 24.Tf6 fort. Ich spielte 24...e4 und nach 25. T1f4 Tae8 hat Schwarz zu viele Drohungen aufgestellt, da wegen der schwachen weißen Grundreihe sowohl 26...exd3 als auch 26...Sd5 mit Gabel auf die beiden Türme droht. Mein Gegner gab sich wenige Züge später geschlagen.
Mit diesem vierten Sieg in Folge verdiente ich mir wieder gegen einen stärkeren Gegner zu spielen. In Runde 8 saß mir der 20-jährige englische IM Jonah B Willow gegenüber. Obwohl sich früh die Damen tauschten, war die Partie sehr chaotisch und voller Chancen für beide Seiten. Auch diese Partie habe ich detailliert analysiert:
Somit stand ich nach 8 Runden zum ersten Mal nicht mehr mit einem Elominus da und durfte in der letzten Runde sogar an einem Livebrett spielen. Gegenüber saß mit der 17-jährige indische IM Samant Aditya. Er wählte die Eröffnung schlau und ließ mich ziemlich schlecht aussehen. Er beendete die Partie aber mit Stil:
Er spielte hier 32. Sg5+ fxg5 33. fxg5 De6 34. gxh6 g6 35. hxg6+ Dxg6 37. Dxg6+ Kxg6 38. h7 und Schwarz kann sich nicht gegen alle Drohungen verteidigen. Nach der Zeitkontrolle gab ich mich geschlagen.
Am Ende standen 5,5/9 Punkte in der Tabelle und nach dem verkorksten Start bin ich mit dem Ergebnis recht zufrieden. Insbesondere, da es nicht gerade meine größte Stärke ist, gut mit Niederlagen umzugehen(vor allem mit solch dummen wie in Runde 2). Für alle, die regelmäßig meinen Twitchstream verfolgen, stellt sich natürlich noch eine andere Frage. Welche Platzierung haben mir die 5,5 Punkte eingebracht? Der 45. Platz ging an jemanden mit 5,5 Punkten, das war leider nicht ich. Wie üblich in Turnieren mit so vielen Teilnehmern, erreichen am Ende viele Spieler im Mittelfeld die gleiche Punktzahl und aufgrund meines schlechten Starts hatte ich eine sehr schlechte Buchholz und kam am Ende auf Platz 71. Das ist natürlich nicht in der Top60 und damit habe ich die Wette verloren und schulde euch einen 12-h-Stream auf Frauenschachexperten. Da ich momentan etwas im Umzugsstress bin, muss der allerdings ein wenig warten. Ich peile Ende Juli an. Den genauen Termin werde ich natürlich sowohl bei Discord, als auch bei Twitter ankündigen, folgt mir dort also gerne! Ich bin auch dankbar über Ideen, was in dem Stream vorkommen soll, 12-h lang Blitzen ist nämlich nicht mein Traum :D. Vorher stehen für mich aber noch zwei Turniere an - die deutsche Frauenblitzmeisterschaft am 15.7. und ab 16.7. das Serbia Masters in Belgrad. Auch darüber werde ich selbstverständlich berichten. Bis dahin, genießt den Sommer Josefine
wenn man mich fragen würde, würde ich sagen: auf den 12 Stunden Stream ( als quasi Busse ) könnte man bei der Vielzahl derSpieler mit 5,5 verzichten. Aber mich fragt ja keiner.
Vorschlag für den Stream: Ne Runde StreamerVSChat (das ist ein Bot auf Lichess) mit anschließender Analyse wäre bestimmt lustig.