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Offene kenianische Frauenmeisterschaft

Bereits Anfang Februar hörten Eltaj und ich von der offenen kenianischen Meisterschaft, die einen unglaublich hohen Preisfond aufwies. So erkundigten wir uns schnell nach Konditionen und planten das Turnier fest ein. Doch nach der wirklich enttäuschenden Europameisterschaft war ich wirklich nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, schnell ein weiteres Turnier zu spielen. Zudem ein Turnier in Afrika. Wer weiß schon, wie die Elozahlen dort einzuschätzen sind? Die Spieler und Spielerinnen spielen vor allem untereinander, sodass kaum Elopunkte ins Land transportiert werden und bei Olympiaden gewinnen sie traditionell recht viel. Andererseits bekommt man nicht oft die Chance nach Kenia zu reisen! So entschieden mein Freund und ich am 03.04. die Reise anzutreten. Zunächst trafen wir uns in Istanbul, dort hatten wir circa 20 Stunden Aufenthalt, sodass wir die Chance hatten, das türkische Essen zu genießen und etwas die Stadt zu erkunden. Am Abend des 04.04. ging es dann weiter nach Kenia. Den Tag der Ankunft nutzten wir vor allem, um uns von der stressigen Reise zu erholen und Kraft für das neunrundige Turnier zu sammeln. Die offene kenianische Meisterschaft wurde in zwei Gruppen ausgetragen - "Ladies" und "Open". Der Preisfond betrug circa 42000 US-Dollar und lockte in der offenen Klasse einige Nicht-Afrikaner an. Bei den Damen war ich die einzige Spielerin, die nicht aus Afrika stammt und auch klare Turnierfavoritin. Bei den Preisgeldern war ich sehr überrascht, dass niemand sonst die lange Reise angetreten hat, aber vermutlich finden momentan einfach zu viele andere Turniere statt.


Turnierverlauf

Die ersten drei Runden konnte ich ohne große Probleme gewinnen. In Runde 4 spielte ich dann gegen eine der besten kenianischen Spielerinnen - Joyce Ndirangu. Nominell war ich auch hier klare Favoritin, ihre Elozahl betrug nur 1662! Aber die Partie gestaltete sich leider nicht ganz so einfach wie erhofft und ich geriet in einen starken Angriff.

Da bin ich gerade noch davongekommen! Joyce spielte auch danach weiter ein starkes Turnier, erzielte 7 Punkte und wurde beste Kenianerin. Die Partie war allerdings nicht der einzige Schock an diesem Tag. Auf dem Rückweg vom Spielsaal zum Hotel machte eine interessante Geschichte im Bus die Runde: Eine Spielerin spielte in Vollverschleierung und erzielte 4 Punkte aus 4 Partien, obwohl das ihr erstes elogewertetes Turnier war.

Foto: Nation Africa

Das überraschte insbesondere die lokalen Spielerinnen und Organisatoren, denn warum ist diese Person noch nie irgendwo aufgetaucht, wenn sie so stark ist? Aufgrund dieser komischen Umstände entschieden sich die Organisatoren, die Spielerin zu befragen und es stellte sich heraus, dass sie in Wahrheit ein Junge ist! Über den Fall wurde bereits breit berichtet, den ersten Artikel habe ich bei einer afrikanischen Zeitung gefunden. Mir ist die Person tatsächlich in der gleichen Runde aufgefallen, aber nur weil ihre Stellung ungewöhnlich gut war und die Brille zu groß für den Augenschlitz der Burka - das sah für mich einfach sehr komisch aus. Ich habe mir aber keinerlei Gedanken gemacht, dass hier eventuell kein Frau spielt. Er wurde natürlich im Anschluss aus dem Turnier ausgeschlossen und die kenianische Föderation wird ihn wohl mindestens für eine Weile sperren. Alle Gegnerinnen bekamen ihre verlorenen Punkte zurück. Zunächst hatte das im Prinzip keinen Einfluss auf mich, und ich konnte meine Partie am nächsten Morgen problemlos gewinnen. Am Nachmittag spielte ich aber gegen Shrook Wafa, eine der beiden ägyptischen Schwestern, die beide Hijab tragen. Und das erste Mal in meinem Leben dachte ich während der Partie: "Wie leicht wäre es unter der Hijab einen Knopf im Ohr zu haben, niemand würde das merken." Zum Glück habe ich es geschafft, diesen Gedanken beiseite zu schieben und eine recht vernünftige Partie zu spielen. In einem spannenden Turmendspiel verpasste ich jedoch eine recht hübsche Idee:

Stellung nach 40.b5

Ich spielte hier 40...d3!, nun muss der weiße König zum Bauern eilen 41.Kf1 und hier hat Schwarz den starken Zug 41... Kd4 42.Txf5 Te8!! und der weiße König ist abgeschnitten und der d-Bauer läuft durch. Leider verpasste ich diese hübsche Idee, konnte jedoch nach einem weiteren Fehler meiner Gegnerin die Partie noch gewinnen. Eine weitere Erinnerung daran, dass Turmendspiele schwer und vor allem nicht immer Remis sind!

Die restlichen Partien waren von meiner Seite recht souverän und es gibt so viel anderes zu berichten, dass ich den schachlichen Teil dieses Mal etwas kürzer halten möchte. Am Ende standen 9 Punkte zu Buche und ich konnte 15 Elopunkte gewinnen, ein kleiner Trost nach der Europameisterschaft :-). Dazu kamen circa 4000 US-Dollar Preisgeld für den ersten Platz. Im offenen Turnier konnte der an 1 gesetzte Amerikaner Timur Gareyev mit 8,5/9 gewinnen, der zweite Platz ging mit 8/9 and Eltaj . Das war also ein erfolgreichen Turnier für uns beide.

Unsere Trophäen

Während der letzten Runde waren mehrere(!) Fernsehsender vor Ort und haben die Partien gefilmt und Interviews mit den Spielern und Spielerinnen geführt. So viel mediale Aufmerksamkeit kenne ich aus wenig anderen Ländern. Auch die Siegerehrung war professionell aufgezogen, es waren offizielle Vertreter der Sponsoren dort und vor allem ungewöhnlich viele Spieler (oft tauchen leider nur die Preisträger auf). Nach der Siegerehrung nutzten viele die Chance, mit den Gewinnern Fotos zu machen und Fragen zu unserem schachlichen Werdegang zu stellen, beziehungsweise sich nach Trainingstipps zu erkundigen.


Meet&Greet mit den Großmeistern


Am Abend wurde sogar noch ein offizelles Meet&Greet mit den Großmeistern organisiert, bei denen die lokalen Spieler weitere Fragen stellen konnten. Ich habe dabei viele Schachenthusiasten getroffen. Einige von ihnen haben eigene Schachschulen in Kenia und wollten von mir wissen, wie sie ihre Schüler am besten vorwärts bringen können.

Analyse mit der 9-jährigen Aine Atubet, Foto: Lighthouse

Es war ein sehr spannender Abend und es war ein gutes Gefühl vielen Kindern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, weil sie das erste Mal in ihrem Leben einen Großmeister oder eine Großmeisterin treffen konnten!

Im Anschluss machten wir uns mit einigen lokalen Spielern auf den Weg in eine Reggae-Bar. Die Afrikaner feiern offenbar sehr gern, auch wenn sie am nächsten Morgen zur Arbeit müssen :-).




Meine Eindrücke von Nairobi


Die Menschen in Nairobi waren durchweg alle sehr freundlich. Nahezu jeder hat uns willkommen geheißen, ob sie uns kannten oder nicht, ob sie irgendwas mit Schach zu tun hatten oder nicht.

Hier einige denkwürdige Bilder aus der Stadt:

Nairobi ist eine der teuersten Städte Afrikas, dennoch ist ein großer Teil der Bevölkerung sehr arm. Für mich war es sehr überraschend, dass die Slums sich mitten in der Stadt befanden. Dieses Foto entstand vom Gelände unseres Hotels aus. Die Einheimischen haben mir erklärt, dass dies praktische Hintergründe hat, denn die Bewohner der Slums arbeiten für die Bewohner der "guten" Häuser. Wenn man im Stau stand konnte man auch damit rechnen, dass Leute am Autofenster klopfen und betteln, für mich persönlich ein sehr schwerer Anblick, vor allem wenn kleine Kinder dabei sind...

Direkt neben unserem Hotel befand sich die Verkehrspolizei und irgendwie habe ich dort die deutschen Farben wiedergefunden...



Bei uns im Hotel hing ein kleiner Briefkasten, in den man "Corruption Reports" einwerfen konnte. Fand ich auf den ersten Blick recht amüsant und habe mich gefragt, was da wohl für Briefumschläge drin landen...






Nun aber zum Highlight der Reise. Wir hatten noch einen freien Tag in Nairobi vor der Abreise, den wir nutzen wollten, um uns ein wenig umzuschauen. Zunächst wollte ich gerne eine Safari machen, aber es stellte sich heraus, dass "echte" Safaris mehrere Tage dauern. So hatten wir die Wahl zwischen einem Safari-Walk (das ist ähnlich wie ein Zoo, nur dass die Gehege wohl deutlich größer sind im Vergleich zu dem, was wir aus Deutschland kennen) oder dem Giraffen-Center. Im Internet gab es viele Stimmen, die meinten, wenn man Pech hat, sieht man beim Safari-Walk kein einziges Tier, also entschieden wir uns für das Giraffen-Center. Dort finden zurzeit elf Giraffen ein Zuhause. Sie haben ein sehr großes Gehege und können sich vor den Besuchern verstecken wenn sie ihre Ruhe wollen. Jeder Besucher bekommt eine kleine Schüssel mit Leckerlis für die Giraffen und wenn man Glück hat, holen diese sie ab.

Das ist Betty. Sie ist bereits 22 Jahre alt und man konnte ihr durchaus ansehen, dass sie deutlich älter ist als die anderen. Die "Education Officer" vor Ort haben uns erklärt, dass Giraffen bis zu 28 Jahre alt werden können. Zunächst war ich etwas besorgt, dass die ganze Fütterei der Touristen vielleicht nicht gut für die Giraffen ist, weil sich das über den Tag sehr summiert, aber Giraffen brauchen am Tag 35kg-65kg Futter, da ist es mit ein paar Pellets nicht getan. Den Rest sammeln sie sich auf ihrem Gelände zusammen - sie bekommen kein Extrafutter.

Das ist Daisy. Sie verteilt gerne Kopfnüsse, daher sollte man ihr lieber nicht den Rücken zukehren :-). Wenn man sie fleißig füttert ist sie aber recht freundlich, auch wenn sie im Gegensatz zu den anderen beiden Giraffen, die wir getroffen haben, ihr Futter sehr deutlich einfordert.







Und das ist Mtwapa. Er ist erst zwei Jahre alt und noch nicht ausgewachsen, deshalb konnte er im Gegensatz zu den anderen beiden seinen Kopf noch nicht ganz über das Geländer strecken. Er hatte aber bereits ein interessantes System zum Leckerlis einsammeln entwickelt. Wenn einige Besucher nebeneinander standen, dreht er den Kopf einem nach den anderen zu und wenn er alle durch hatte fing er wieder von vorne an. So jung und schon so schlau :-)



Hier haben wir noch die Mitbewohner der Giraffen - die Warzenschweine. Da sie deutlich kleiner sind als die Giraffen, konnte man sie nahezu nur von oben beobachten. Ich musste auf jeden Fall direkt an Pumba aus "König der Löwen" denken... Insgesamt eine wirklich coole Erfahrung für mich und für alle, die schon immer einmal nach Afrika reisen wollten und das eventuell gerne mit einem Schachturnier verbinden möchten, kann ich dieses Turnier nur empfehlen. Es ist auch nächstes Jahr zu Ostern wieder geplant, obwohl ich diese Info in einigen Monaten noch einmal überprüfen würde. Inzwischen bin ich die Reise nach Baku angetreten, wo ab Anfang Mai mein nächstes Turnier - das Baku Open - ansteht. Bis dahin und liebe Grüße Josefine

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