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IM-Norm so nah und doch so fern

Vom 10.08.-18.08. war ich zu einem Rundenturnier in Eindhoven eingeladen. Dieses Turnier sollte ein Side-Event zur U16-Olympiade, die gleichzeitig stattfand, darstellen. Eingeladen wurden zehn Spielerinnen, unter der Prämisse, das Turnier IM-normfähig zu machen. Auch die beiden niederländischen Nachwuchstalente Machtheld van Foreest und Eline Roebers sollten mitspielen. Eline kam im Weltcup jedoch so weit, dass sie nicht rechtzeitig zum Start des Turniers zurückkam! Auch daran hatten die Organisatoren aber gedacht und Ersatz organisiert – Robin Duson. Ich reiste einen Tag vor Turnierbeginn mit dem Zug an (mal wieder nicht ohne Probleme, aber was erwartet man bei einer 8-stündigen Zugfahrt auch) und war sehr positiv vom Hotel überrascht. Wir übernachteten alle im Van der Valk Hotel in Eindhoven. Das Hotel lag etwas außerhalb des Stadtzentrums und war von vielen Grünflächen umgeben - perfekt zum spazieren gehen. Die Zimmer waren sehr geräumig und mit Schreibtisch, Kühlschrank und Kaffemaschine ausgestattet! Kurz nach meiner Ankunft ging es auch schon zum Abendessen. Die ersten zwei Tage konnten wir in einem der Restaurants im Hotel á la carte bestellen, da wir nur wenige Spielerinnen waren und ein Buffet keinen Sinn ergeben hätte. Das Essen war wirklich unglaublich gut und wohl das beste, das mir je bei einem Schachturnier vorgesetzt wurde.

Mit der Ankunft der Jugendlichen hatten wir dann ein eigenes Buffet für die Schachspieler. Das Essen wurde etwas schlechter, aber immer noch deutlich besser, als ich es von den meisten Jugendturnieren gewohnt bin. Die Rahmenbedingungen für das Turnier waren also super! Nach dem Abendessen haben wir die Startnummern gezogen. Ich zog die Nummer 2 und war direkt glücklich, denn das bedeutet fünf mal Weiß(wie sich später herausstellte, war das vielleicht gar nicht so toll)! Am nächsten Tag spielte ich dann die erste Runde gegen den Eline-Ersatz Robin Duson. Mit einer Elo von 2140 war sie recht deutlich an letzter Stelle gesetzt (die Nummer neun war ich), allerdings merkte ich schon früh in der Partie, dass es nicht einfach werden würde. Ich packte eine seltene Idee gegen Taimanov aus, sie reagierte jedoch gut und glich recht problemlos aus. Ein zähes Mittelspiel ging schließlich in ein Endspiel über, in dem Schwarz etwas wachsam sein sollte, das objektiv aber recht einfach Remis sein sollte.

Diagramm 1: Stellung nach 56... Kd8

Meine Gegnerin verlor allerdings mit geringer werdender Zeit immer mehr den Überblick und erlaubte mir hier einen schönen Durchbruch: 57. c5! dxc5 58. Lc4 Ke8 59. Kd2 Tb7 60. Kc3 Ta7 61. Th6 und Schwarz kann nicht den f6-Bauern verteidigen, da ich dann alles auf f7 schlage und den Turm auf der siebten Reihe aufspieße! Eine lange und schwere Partie, aber ich war glücklich über den ersten Sieg. Am nächsten Tag spielte ich mit Schwarz gegen die Polin Alicja Sliwicka. Mithilfe ihrer Onlinepartien gelang es mir recht gut, ihre Eröffnung vorherzusagen und so erreichte ich schnell eine ausgeglichene aber interessante Stellung. In einem komplizierten Mittelspiel begingen wir beide einige Ungenauigkeiten. Als meine Gegnerin in eine Stellung mit ungleichfarbigen Läufer überging, spielte mir das jedoch endgültig in die Karten und ihre Stellung wurde sehr schwierig. Ich habe die ganze Partie auf Youtube analysiert:

In Runde 3 traf ich dann auf die andere Spielerin, die mit 2/2 ins Turnier gestartet war – Anastasia Avramidou. In einer ruhigen italienischen Partie passierte lange nichts, bis sich meine Gegnerin hier entschied den Springer zu opfern.

Diagramm 2: Stellung nach 34...Dxh4

Dieses Opfer ist korrekt und führt bei akkuratem Spiel beider Seiten zum Remis. Allerdings war ich so schockiert, dass ich hier nicht sorgfältig nach Kandidaten suchte und nachdem ich feststellte, dass nach 35. De1 Sf4 36. Sc1 g6 Weiß im Zugzwang ist, entschied ich mich für 35. Sf1. Stattdessen wäre 35. Se2 wesentlich stärker gewesen, denn dann kann der schwarze Springer nie nach f4. Es folgte 35... Sf4 36. Dd1 Sh3+ 37. Kg2 Sf4+ 38. Kg1 Sh3+ 39. Kg2 Sf4+ 40. Kg1 und Remis. Allerdings hätte Schwarz nach 36. Dd1 auch mit 36... Dg5+ fortsetzten können und nun nach 37. Kf2 Dg2+ 38. Ke1 h5 weiter auf Gewinn spielen. Objektiv ist die Stellung vermutlich haltbar für Weiß, aber praktisch unglaublich schwer zu spielen.

Am nächsten Tag hatte ich wieder Weiß gegen die Ungarin Petra Papp. Ich verlor 2015 einmal bei der Team-EM mit Weiß gegen sie, hatte also was gutzumachen. Auch hier kam Italienisch aufs Brett und meine Gegnerin hatte tatsächlich einen Zug früher als ich eine Abweichung zum Vortag vorbereitet! Auch sie glich problemlos aus und wir wiederholten nach 25 Zügen die Stellung und die Partie endete Remis.

In Runde 5 spielte ich gegen die erste IM aus unserem Turnier – Marta Garcia Martin. Die Spanierin überraschte mich in der Eröffnung mit offenem Sizilianer. Ansonsten spielte sie nahezu ausschließlich Alapin und andere Antisizilianer. Es entstand eine sehr spannende Stellung, in der mir meine große Erfahrung allerdings zugute kam und so konnte ich eine hübsche Angriffspartie gewinnen.

Am Folgetag stand direkt die nächste IM auf dem Plan – die Setzranglistenerste Marsel Efroimski. Nachdem ich 2021 mit Schwarz gegen sie bei der Frauen-EM gewann, schlug sie mich 2022 beim Club Cup. Nun hatte ich das erste Mal Weiß. Leider lief ich voll in ihre Vorbereitung und mir gefiel die Stellung direkt nach der Eröffnung nicht so gut. Das führte auch schnell dazu, dass ich einen groben Fehler machte und keine Chance mehr in der Partie bekam. Es gab noch einige Fallstricke für meine Gegnerin, allerdings löste sie alle Probleme souverän. Falls euch das genauer interessiert, schaut euch gern die ganze Analyse an:

Ein etwas unnötiger, aber verkraftbarer Verlust. Mit 4/6 stand ich schließlich noch recht gut da. Nun musste ich mit Schwarz gegen die dritte IM Laura Unuk spielen. Sie erzählte mir, dass sie und ihr Trainer sich lange bemühten eine Schwachstelle in meinem Repertoire zu finden und sich schließlich für das Londoner System entschieden, denn dort spiele ich ausschließlich eine sehr scharfe Variante, die eine hohe Gedächtnisleistung erfordert. Während der Partie ärgerte ich mich auch fast ein bisschen darüber, denn Laura spielt sonst kein Londoner System und ich war dementsprechend nicht wirklich vorbereitet. Allerdings gelang es mir, meine Analysen am Brett zu reproduzieren und in einer wilden Stellung behielten wir beide den Überblick und die Partie endete Remis. Auch diese Partie habe ich für euch erklärt:

In Runde 8 spielte ich mit Weiß gegen Machtheld von Foreest und musste gewinnen, wenn ich meine Chancen auf eine IM-Norm aufrechterhalten wollte. Ich überraschte sie in der Eröffnung, konnte jedoch trotzdem bis auf einen Zeitvorteil nichts besonderes rausholen. Später stellte ich die Partie sogar zweimal ein!

Diagramm 3: Stellung nach 20... Dh4

Hier spielte ich nicht das recht simple 21. Lxh7+ Kh8 22. Kg2 Lc6+ 23. f3 Kf2, wonach Schwarz vermutlich das Remis durch Dauerschach nehmen muss, sondern 21. Kg2 und nach 22... Sxe4 23. Th1 Sxc3 verliere ich wegen 24... Lc6+ eine Figur und stehe völlig auf Verlust. Noch vor der Zeitkontrolle stellte Machteld aber auch eine Figur ein(zweizügig!) und ich konnte wieder zurück in die Partie kommen. Leider hatte ich nach wie vor zwei Bauern weniger und einen sehr schwachen König und konnte vor allem nach wie vor nicht rechnen!

Diagramm 4: Stellung nach 43... f2

Hier spielte ich 44. d5 und nach 44... Lxe5 45. Lxe5 Dh5+ ist der Bauer einfach weg und damit die Partie. Das war eine wirklich schmerzhafte Partie und so schlecht habe ich wirklich lange nicht gespielt. Zu allem Überfluss kam ich danach auch sehr schlecht in den Schlaf und die letzte Runde fand naturgemäß am Morgen statt. Trotzdem versuchte ich morgens in die richtige Stimmung zu kommen und noch eine letzte gute Partie abzuliefern.

Die junge Irin Trisha Kanyamarala hatte gar kein gutes Turnier erwischt und stand nach 8 Runden gerade mal bei 1,5 Punkten. Allerdings ist sie natürlich keine schwache Gegnerin und es war klar, dass auch diese Partie nicht leicht werden würde. Sie überraschte mich in der Eröffnung, indem sie auf Nimzoindisch verzichtete und stattdessen Tarrasch erlaubte. Sie spielte eine seltene Variante, um mein Gedächtnis zu testen. Das klappte auch ganz gut und irgendwann opferte ich einen Bauern für die Initiative. Mit sehr genauem Spiel konnte meine Gegnerin wohl leichten Vorteil behalten, objektiv sollte die Partie aber immer in der Remisbreite sein. Sie spielte jedoch auch nicht ganz genau und erlaubte mir hier eine hübsche Idee:

Diagramm 5: Stellung nach 24. Ta4

Ich spielte nun 24... Ta6 und nach 25. Lg3 Tf6+ 26. Tf4 Txf4+ 27. Lf4 Le1 28. Lg3 Lb4 konnte ich immer abwechselnd drohen, den f2 oder den b3 zu nehmen und die Partie endete mit einer dreifachen Stellungswiederholung. Gerade die letzten beiden Partien waren ein recht klares Zeichen, dass ich inzwischen zu müde für gute Variantenberechnung war und vermutlich war auch genau das der Grund für die schwache zweite Hälfte. Dennoch konnte ich mit 5/9 den geteilten dritten Platz erreichen und kann insgesamt ganz zufrieden mit dem Turnier sein. Denn bis auf die beiden Verlustpartien war ich auch mit meinem Schach zufrieden. Natürlich gibt es immer Verbesserungpotenzial und ich weiß woran ich in Zukunft weiter arbeiten muss.

Foto: Frans Peeters

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich sehr dankbar für die Einladung bin und wirklich selten ein so gut organisiertes Turnier gespielt habe. Die Ausrichter haben wirklich an alles gedacht und waren ständig ansprechbar. Nun habe ich eine kleine Pause und ab 6.9. steht dann für die deutsche Frauen-Mannschaft die Team-WM in Bydgoczsz an. Bis dahin, Josefine

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