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Writer's pictureJosefine Heinemann

Ein Wechselbad der Gefühle - Schacholympiade 2024

Updated: Sep 25

Die im Zweijahresrhythmus stattfindende Schacholympiade ist sowohl für viele Schachfans als auch -spieler das Highlight des Jahres. Für mich begann meine 2. Schacholmypiade mit der Anreise am 4. September. Wir wollten vor dem Turnier noch ein kurzes Trainingslager haben, um in Form zu kommen.

Wir starteten mit etwas intensiverem Training - morgens 10:30 Uhr bis ca. 12:00 und nachmittags 15:00 bis ca. 17:30. Nach einigen Tagen ließen wir dann die morgendliche Trainingseinheit weg, da wir uns vor dem Turnier natürlich nicht müde machen wollten.

Das Training diente vor allem dazu in Form zu kommen, daher lösten wir vor allem "leichte"(Yuris Aussage) Rechenaufgaben. Ein Beispiel, Schwarz am Zug:


Neben dem Schachtraining ging ich jeden Tag laufen, wir machten gemeinsame Spaziergänge und erkundeten die Gegend ein wenig.



Am Tag vor der ersten Partie trainierte ich nicht, stattdessen gingen wir abends gemeinsam zur Eröffnungsfeier.

v.l.n.r.: Dinara, Lara, Elisabeth, Hanna Marie, ich, Kevin

Es gab einige Reden, Musikeinlagen, den Fackeleinlauf mit Judith Polgar und den traditionellen "Flaggeneinlauf". Im Gegensatz zu den meisten Meisterschaften gab es aber keine Flaggenträger, sondern nur eine Präsentation an der Wand. Bei dieser gab es leider technische Probleme, sodass ein Großteil der Zuschauer den Saal verließ, bevor alle Flaggen gezeigt wurden.


Ich habe mir sagen lassen, dass die Eröffnungsfeier in Chennai deutlich pompöser war, empfand die diesjährige zumindest von der Länge aber sehr angenehm(man möchte nicht den ganzen Tag bei einer Eröffnungsfeier sitzen).

Im Anschluss musste Yuri zum Captain's Meeting und wir machten uns auf den Weg zurück ins Hotel, wo wir auf die Paarungen warteten.

Natürlich informierte uns Yuri auch über einige wichtige Regeln:

  1. Keine elektronischen Geräte, Uhren, Stifte mit in den Spielsaal bringen.

  2. Wer kein Spielerbadge dabei hat, wird nicht eingelassen.

  3. Keine Kommunikation mit dem Kapitän über Remisangebote - im Beisein eines Schiedsrichters können wir aber gerne nach Tee und Kaffee fragen.


Für die erste Runde entschieden wir vor der Auslosung, dass Elisabeth aussetzt, da klar war, dass wir deutliche Favoriten sein würden. Normalerweise versuchen wir immer in der Reihenfolge 1,2,3,4,5 auszusetzen, da das für die Farben am besten ist, dieses Mal starteten wir aber mit 2,1,3,4,5, sodass nach den ersten 5 gespielten Partien Dinara 4 Mal Weiß und 1 Mal Schwarz hatte und Elisabeth genau andersrum. Das ist natürlich ungünstig, aber zum einen nicht besonders wichtig im Mannschaftsturnier und zum anderen wurde es in der zweiten Hälfte wieder ausgeglichen.


Nun aber zum Turnier!

Der Spielsaal war groß und angenehm klimatisiert. Einige Tische standen recht eng beeinander, sodass es teilweise schwer war gute Wege zu finden, aber die Spielbedingungen waren gut. Zudem gab es kalte Getränke, Tee und Kaffee. Auch Toiletten waren ausreichen vorhanden(leider ist dies nicht selbstverständlich).


Das Turnier startete gut mit zwei Siegen gegen Andorra und Belgien, wobei wir jedoch in der zweiten Runde schon etwas wackelten.

In der dritten Runde gegen Slowenien setzte ich dann aus und musste mit ansehen, wie das Match mit jeder Stunde schlechter aussah. 2:2 war am Ende wohl ein faires Resultat, da die Partien an den Brettern 1,3 und 4 recht vielen Schwankungen unterlagen.

Am nächsten Tag gegen Argentinien durfte ich wieder ran und auch da lief es nicht viel besser.

Dinara und ich konnten keinerlei Gewinnchancen krieren und so kamen wir nach Elisabeths Sieg und Hanna Maries Niederlage nicht über ein 2:2 hinaus.

Mit 6 aus 8 möglichen Mannschaftspunkten gegen ausschließlich schwächere Teams war der Start alles andere als optimal, aber bei so einem langen Turnier wie der Olympiade war natürlich auch noch nichts verloren.

Vor dem Ruhetag folgten dann noch zwei Erfolgserlebnisse: 3,5:0,5 gegen Schweden und Italien!

Zur Feier des Tages lud uns unser Sponsor Roman Krulich zum essen ein:

Nach zwei Jahren Powergirlsprogramm und nun dem Sponsoring der Nationalmannschaft war dies für mich die erste Gelegenheit unseren Unterstützer persönlich zu treffen.

Wir sind alle sehr dankbar für die langjährige Unterstützung und hoffen natürlich in Zukunft unsere Dankbarkeit mit einigen Erfolgen zum Ausdruck zu bringen!

Wir hatten einen entspannten gemeinsamen Abend, mit sehr gutem Essen und im Anschluss trennten sich unsere Wege - einige gingen zur Bermudaparty, andere zurück ins Hotel. Ich bevorzuge es, beim Turnier meinen Schlafrhythmus möglichst gut einzuhalten, da mir dies sehr dabei hilft, genug Schlaf zu bekommen, deshalb verzichtete ich trotz freiem Tag auf die Party.

Den freien Tag nutzte ich dann zur Entspannung und für einen langen Spaziergang - die zweite Turnierhälfte würde deutlich stärkere Gegnerinnen bringen und erforderte somit eine Menge Kraft!

In Runde 7 stand dann auch die Mongolei auf dem Plan und ich hatte meine erste richtig schlechte Partie bei dieser Olympiade.

Diagramm 1: Stellung nach 31. Sd6

An dieser Stelle musste ich mich zwischen 31...Txb2+, 31...Lxb2 und 31...Lf4 entscheiden. 31...Lxb2 schloss ich aus, weil der Läufer dort nur im Weg steht. Nach 31...Txb2+ entsteht eine recht forcierte Variante: 32. Txb2 Lxb2 33. Kd3 Kf8 34. Sf5 und Schwarz verliert den Bauern auf d4. In der Partie war mir dieses Endspiel nicht ganz klar, allerdings ist es Remis und der deutlich bessere Versuch als meiner, denn ich spielte 31...Lf4?? 32. Txa6 Txb2+ 33. Kd3 und diese Stellung ist aufgrund der Grundreihenmattdrohung leider verloren und meine Gegnerin ließ keine Luft mehr ran.

Glücklicherweise konnte zumindest Lara ihre Partie gewinnen und so zum 2:2 ausgleichen. Dennoch war dies natürlich ein total unnötiger Verlust, der auch die Mannschaft einen Punkt kostete.

Am nächsten Tag ging es ohne mich gegen die Niederlande und auch da kamen wir nicht über ein 2:2 hinaus.

Für die letzten drei Runden war klar - wir brauchten jetzt eine Menge Punkte! Es ging auch gut los in Runde 9 gegen England, mit einem klaren 3:1.

Im Anschluss saßen uns dann aber die ersten favorisierten Gegnerinnen gegenüber - die Polinnen.

Leider landeten wir am vierten Brett schnell in einer Verluststellung und konnten an den anderen Brettern keine Partie gewinnen, so kassierten wir unsere erste Niederlage*.

So kurz vor Schluss raubte uns das natürlich alle Medaillenchancen und in der letzten Runde war klar, es würde vor allem um eine Platzierung unter den ersten 10 und einen versöhnlichen Turnierabschluss gehen. Zu allem Überfluss bekamen wir aber die nächsten richtig starken Gegnerinnen - Armenien. Diese spielten ein starkes Turnier und mit einer GM, zwei IMs und einer WGM hatten sie ohnehin einiges an Klasse an den Brettern. Zudem wiederholten wir die Farben und ich musste mit Schwarz gegen GM Elina Danielian spielen. Bisher hatte ich jede Partie gegen sie verloren und hoffte natürlich, dass ich dies am nächsten Tag ändern könnte.

Leider überraschte sie mich in der Eröffnung und ich geriet schnell in eine unangenehme Stellung. Ich verteidigte mich lange gut, an der kritischen Stelle gelang es mir aber nicht die Varianten akkurat zu berechnen und die Stellung ging stark abwärts.

Der kritische Moment:


Wir verloren dieses Match sehr deutlich(es hätte auch noch höher ausfallen können) mit 3:1 und rutschten auf den 22. Tabellenplatz ab.

Dieses Ergebnis ist natürlich für uns alle sehr enttäuschend und es sind einige Teams vor uns gelandet, die uns vor allem wegen der Letztrundenniederlage überholt haben. Dennoch muss man ehrlich sein und feststellen, dass wir im ganzen Turnier nicht besonders überzeugend waren - wie auch, wenn nur eine Spielerin über ihrer Zahl performt:

Für mich persönlich kann ich das Fazit ziehen, dass meine Weißpartien insgesamt sehr gut liefen, aber dass ich in einigen kritischen Schwarzpartien(Mongolei, Polen, Armenien) leider einfach nicht auf der Höhe war und so dem Team die Chance auf wichtige Punkte in diesen Matches genommen habe. Am Ende sind wir natürlich ein Team und der fehlende halbe Punkt kann theoretisch an jedem Brett kommen, das nicht gewonnen hat, aber man sollte sich immer zuerst an die eigenen Nase fassen :-).


Der schachliche Anteil dieses Berichts war etwas kleiner als sonst, weil ich alle meine Partien noch ausführlich auf meinem Youtubekanal analysieren werde, mit einigen Informationen über die jeweilige Vorbereitung und natürlich auch mit Informationen zu den kritischen Momenten. Die ersten Videos sind schon online:


Also schaut auch gerne dort vorbei!


Die Enttäuschung sitzt noch tief, aber uns bleibt nichts anderes, als unsere Lehren daraus zu ziehen, weiter an uns zu arbeiten und nächstes Jahr zur Team-EM stärker zurückzukommen.

Vorher stehen natürlich auch noch Turniere ohne das Team an, für mich als nächstes im Oktober das Annemasse Open.



Bis dahin und vielen Dank fürs Mitfiebern,

Josefine




*Detailliertere Informationen zum Matchverlauf wird es in meinem Youtubevideo zu diesem Match geben.


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1 Comment


Danke für den Bericht und Gruß aus Transilvania von herby 🍀

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