Vom 04.05.-12.05. fand das Baku Open in der Crystal Hall in Baku statt. Normalerweise wurde das Turnier anlässlich des Geburtstages von Heydar Aliyev Anfang Mai in Nakhchivan durchgeführt, doch dieses Jahr haben sich die Organisatoren etwas besonderes überlegt. Denn am 10.05. feierte die Nation den 100. Geburtstag ihres "All-time Leaders". Dazu wurde das Turnier in die international besser zu erreichende Landeshauptstadt verlegt und der Preisfond signifikant aufgestockt. Insgesamt gab es 55000 USD zu gewinnen und das zog zahlreiche starke Großmeister, u.a. Hans Niemann, an. Das A-Open hatte eine Elountergrenze von 2250 und für Frauen von 2100. Somit war klar, dass das Turnier sehr hart aber auch spannend werden würde.
Schauen wir aber nun auf meinen Turnierverlauf:
In der ersten Runde saß mir der junge Aserbaidschaner Aydin Suleymanli gegenüber, der mit 14 Jahren das Aeroflot Open in Moskau gewinnen konnte. Ich erreichte eine sehr gute Stellung aus der Eröffnung, nach und nach konnte mein Gegner diese aber neutraliseren und sich leichte Vorteile erspielen. Nachdem er auch nicht perfekt agierte erhielten wir die Stellung in Diagramm 1.
Hier hatten wir bereits eine lange Partie hinter uns und aufgrund der verbundenen Freibauern fühlt sich die Stellung hier gefährlich für Weiß an, doch es gibt noch eine Rettung: 56. Sd5! Ke5 57. g5 Lf3+ 58. Ke1 Lh5 59. Sf6 Lg6 50. c5 und Weiß hat eine Art Festung errichtet, da auch die beiden weißen Bauern bei Bedarf vorlaufen können. Stattdessen startete ich mit 56. Kf2 Lh3 57. Sd5 Ke5 58. g5 Lf5 59. Se7 e3+ 60. Ke1 Ld3 und plötzlich läuft der f-Bauer durch. Es ist natürlich schade, wenn solche Kleinigkeiten halbe Punkte kosten, aber die richtige Variante scheint mir zumindest nicht trivial zu sein.
In der nächsten Runde spielte ich dann gegen die Aserbaidschanerin Laman Hajiyeva. Vor der Partie passierte noch etwas Kurioses. Wir reisten täglich von der Wohnung mit dem Taxi zur Crystal Hall und mussten im Anschluss noch circa 10 Minuten zu Fuß zurücklegen. Wir kamen etwas spät von zu Hause los und da die Karenzzeit nur 15 Minuten betrug wurde es ziemlich knapp. Nach dem Verlassen des Taxis rannte ich also zum Spielsaal, kam völlig verschwitzt an, nur um festzustellen, dass die Partien noch nicht gestartet waren. Aber warum? Aus irgendeinem Grund wurde die Eröffnungsfeier vor der zweiten Runde abgehalten und diese startete mit einer großen Verspätung.
Großes Glück für mich - es wäre wirklich sehr peinlich eine Partie zu verpassen, weil man zu spät kommt.
Die anschließende Partie war recht zufriedenstellend, da ich schnell mit Schwarz eine angenehmere Stellung erreichte und diese auch sauber verwertete. Hier spielte ich 35... c4! 36. Lc3 e4! 37. Lxg7 Sxg7 38. d4 g5, der Springer auf b6 steht komplett im Abseits und Schwarz hat eine Mehrfigur im Königsangriff.
In Runde drei spielte ich dann gegen den für Schweden spielenden Ukrainer Vitaly Sivuk. Vor einem halben Jahr hatte er noch eine Elo von 2600, doch nach einigen Turnieren in Kasachstan fiel er nun unter 2500. Diese Partie war sehr interessant, daher habe ich sie für meinen Youtubekanal analysiert.
Da hätte ein halber Punkt mehr kommen müssen! Als Strafe bekam ich nun die schwarzen Steine gegen den türkischen GM Vahap Sanal. Er überspielte mich im frühen Mittelspiel, dann gelang es ihm jedoch nicht seinen Vorteil sauber auszubauen und kurz vor der Zeitkontrolle erreichten wir die Stellung in Diagramm 3.
Auf den ersten Blick ist diese Stellung natürlich schwer einzuschätzen - entweder Schwarz ist Matt oder es gibt irgendein Dauerschach. Und genau das ist das richtig Stichwort - Schwarz muss einen Weg finden Dauerschach zu setzen. Der richtige Weg ist: 37... De6 39. b6 De1+ 40. Kg2 Dg3+=. Leider habe ich diesen Zug überhaupt nicht betrachtet und spielte stattdessen 37... Db1+ 38. Tf1 Dg6 39. bxc6 Dxc6 40. Tb1 Dc7 41. Tb7 und es war Zeit aufzugeben. Wieder sehr schade diesen halben Punkt liegen gelassen zu haben.
Im Anschluss spielte ich gegen die Inderin Srija Seshadri.
Sie überraschte mich in der Eröffnung mit dem offenen Spanier und nach einem strategisch komplizierten Mittelspiel packte sie das Opfer 30...Lxh3 aus. Hier sollte die Partie mit 31. gxh3 Txe3 32. fxe3 Dg3+ mit Dauerschach enden. Allerdings sah ich hier irgendwelche Gespenster nach 31. gxh3 Dd7, was jedoch wegen 32. Kg2 einfach für Weiß gewinnt. Daher spielte ich 31. Te1 und nach 31...Tg4 ist die Stellung völlig verloren und ich musste bald aufgeben. Diese Partie tat natürlich sehr weh, da ich 30...Lxh3 sogar gesehen hatte, aber dann von einem völligen Blackout heimgesucht wurde.
Die nächste Partie gegen die Kasachin Amina Kairbekova tat sogar noch mehr weh. Ich stellte mich bei der Verteidigung dieses Turmendspiels recht blöd an und hätte es lange nicht so weit kommen lassen müssen, doch diese Stellung ist natürlich noch Remis, wenn man 32... e5+ 33. Kd5 Tb7 34. Kc6 Tb6+ 35. Kc7 Ta6= findet. Ich spielte allerdings 32... f5 33. b5 e5+ 34. Kd5 e4 35. a4 Tg7 36. a5 und die weißen Bauern sind zu schnell. Meine Gegnerin verwertete die Stellung souverän. Was am meisten wehtat war, dass meine Gegnerin für die ganze Partie 20 Minuten verbrauchte.
Danach fiel es mir wirklich schwer weiterzuspielen, aber am nächsten Tag war das Glück mit mir. Meine Gegnerin war die Inderin Varshini und meine Vorbereitung klappte perfekt: Die Stellung in Diagramm 6 steht genau so in meiner Datei, die ich wenige Stunden vor der Partie wiederholt habe. Meine Gegnerin war offensichtlich schon aus dem Buch und überlegte hier bereits eine Weile. Nur wenige Züge später sah die Stellung so aus:
Hier gewinnt 19. Sxg6 mit der Idee nach 19...hxg6 20.Dh4 zu spielen. In der Partie folgte 19... fxg6 20. De5 Lf6 21. gxf6. Weiß hat einen Bauern gewonnen und anhaltenden Angriff. Die Verwertung von hier war zum Glück sehr leicht. Daher natürlich auch eine Erinnerung an euch: Lernt die Ideen eurer Eröffnungen, dann kann man die eine oder andere Partie ohne viel Nachdenken gewinnen :-).
Am nächsten Tag saß mit wieder eine Inderin gegenüber - Sakshi Chitlange. Gegen sie verlor ich einmal mit Weiß in Sitges eine sehr aussichtsreiche Stellung und war daher nicht glücklich über diese Paarung. Ich entschied mich, mit Schwarz nicht auf Krampf auf Gewinn zu spielen, sondern solide zu sein und zu schauen was kommt. Die Partie verlief recht ausgeglichen, doch dann tauschte ich eine falsche Figur und landete in einem etwas unangenehmen Turmendspiel.
Ich wollte hier so viele Bauern wie möglich tauschen und spielte daher im letzten Zug ...b4. Meine Idee war, dass nach 50. axb4 Ta4 51. Tf4 Ta2 Weiß die Züge wiederholen muss, was allerdings vollkommener Quatsch ist. Weiß kann hier 52. b3 spielen und ich habe schon zwei Bauern weniger. Solche Fehler sind vor allem durch Müdigkeit zu erklären und vermutlich mal wieder eine Erinnerung an mich, dass ich die Vorbereitung etwas einschränken sollte. Weiß hat aber sogar noch eine stärkere Fortsetzung, wie Thorsten Cmiel auf Twitter analysierte:
Danke für diese Analyse! Zum Glück war wohl auch meine Gegnerin nach einem langen Turnier recht müde und spielte 50. Tf3 wonach 50... Tb1 51. Tf4 a5 52. Tf2 bxa3 einen weiteren Bauern tauscht und zu einem recht simplen Remis führt, das ich 25 Züge später dann auch bekam. In der letzten Runde spielte ich gegen eine sehr junge Aserbaidschanerin, die im letzten halben Jahr bereits 400 Elopunkte gewinnen konnte und nach dem Turnier bei über 2150 steht.
Meine Gegnerin verwechselte hier aufgrund ihres schnellen Spiels wohl die Züge. Statt 8...Lb6 ist 8... Lg4 9. Sbd2 Lb6 eine Variante, aber ohne den Einschub von Lg4 kann Weiß mit 9. Sxe5 Sxe5 10. Txe5 Lxf2+ 11. Kxf2 Df6+ 12. Df3 Dxe5 13. Lxd5 großen Vorteil erzielen, den ich recht problemlos verwertete. Zum Abschluss nochmal eine recht leichte Partie und damit ein positives Ende des Turniers. Ohne die kleine Schwächephase in der Mitte des Turniers wäre ich sogar recht zufrieden. In den meisten Partien habe ich vernünftig gespielt und war gegen absolut niemanden chancenlos. Dennoch ist es natürlich schwer auszugleichen, wenn man zwei Partien einfach wegschmeißt und daher ist das Ergebnis am Ende nicht so gut.
Insgesamt hat das Turnier aber Spaß gemacht. Nun steht die tiefe Analyse der Partien an und ab 06.06. werde ich in Günzburg bei einem GM-Normturnier - dem Korchnoj-Memorial - wieder am Brett sitzen. Da ist dann hoffentlich auch mal wieder ein GM fällig :-) Bis dahin
Josefine
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