Meine letzten beiden klassischen Turniere des Jahres standen kurz hintereinander auf dem Plan. Los ging es mit einem IM-Normturnier in Budapest vom 22.11.-27.11.
Dazu möchte ich kurz abschweifen, denn ich habe in der Vergangenheit häufiger gesagt, dass ich kein großer Fan von dem Geschäftsmodell Normturniere bin und diese daher weitestgehend meide. Das liegt vor allem daran, dass bei Normturnieren unglaublich viel manipuliert werden kann und auch wird. Bei einigen Turnieren können Normen und Elozahlen nahezu erkauft werden, was nicht unbedingt über den Ausrichter passieren muss, sondern natürlich auch zwischen zwei Spielern organisiert werden kann. Dies ist sehr schwer nachzuweisen und selbst wenn man es mitbekommt, hat man nie irgendwelche Beweise. Natürlich würde ich mich an sowas nie beteiligen, aber ich hätte auch ein schlechtes Gefühl dabei, ein Turnier zu unterstützen, bei dem solche Dinge vorkommen.
Warum habe ich mich nun dennoch entschieden bei so einer Turnierserie mitzuspielen? Die SixDays Budapest Serie ist recht neu und ich habe mir vorher Meinungen von anderen Spielern eingeholt, die die Turniere als sehr seriös beschrieben. Alle Partien finden gleichzeitig statt und werden auch tatsächlich gespielt(klingt selbstverständlich, ist es leider nicht). Die Titelträger schenken sich die Remis wohl eher untereinander als den Normjägern und sorgen so natürlich auch dafür, dass man sich die Normen verdienen muss. Am Ende hängt das sicher von den jeweiligen Titelträgern ab und wie viel sie für ihr Geld arbeiten wollen, aber dennoch reichten mir diese Meinungen, um das Turnier einmal auszuprobieren.
Bei den IM-Turnieren sind die Elodurchschnitte immer recht niedrig und man braucht sehr viele Punkte für die Norm, so musste ich in meinem Turnier 7 Punkte holen. Von Anfang an war klar, dass das schwer werden würde, aber im Zweifel wäre es einfach ein Turnier, bei dem ich aus den Partien lernen kann! Gespielt wurde in den Büros des ungarischen Schachverbandes, direkt neben dem Parlament.
Die Partien habe ich alle auf meinem Youtubekanal geteilt, daher hier nur einige kritische Momente:
Hier hätte ich 32...Lxc5 spielen sollen, denn nach 33. bxc5 a5 ist das Turmendspiel recht unangenehm für Weiß. Stattdessen wählte ich 32...a5 und nach 33. bxa5 endete die Partie bald Remis. Keine Katastrophe, aber da wäre eventuell mehr drin gewesen.
Diese Partie lief gar nicht nach meinen Vorstellungen und ich musste mich schon sehr früh verteidigen. Mit meinem letzten Zug habe ich eine kleine Falle aufgestellt und Weiß muss hier tatsächlich vorsichtig sein, um den Vorteil nicht wegzuschmeißen. Eine Möglichkeit wäre 43. Lb7 mit der Idee den Läufer über c8 zu aktivieren. Mein Gegner spielte stattdessen 43. Kg2 und nach 43...Sf6 hat Schwarz eine Festung, weil der weiße Läufer nicht mehr von c6 wegkommt.
Hier kann Weiß fast beliebig gewinnen. Der logischste Weg ist wohl 57. Ka3, da der König zum b-Bauern laufen will. Ich wollte es mir aber leicht machen und spielte 57. Te5 und nach 57...Sxg7 ist die Partie sofort Remis, weil ich eine ganze Figur verliere. Ausgleichende Gerechtigkeit für die vorherige Partie, aber dennoch sehr ärgerlich in einer Partie, in der ich von Anfang an auf Gewinn stand.
Wie man sehen kann, habe ich durchaus ein paar kleine Chancen ausgelassen, das gilt aber auch genauso für meine Gegner. Dementsprechend war das Ergebnis von 5/9 bei den Partieverläufen grundsätzlich in Ordnung. Damit war die Norm natürlich weit weg, aber am Ende war ich recht zufrieden mit den vielen ausgekämpften Partien, die teilweise natürlich auch viel Kraft kosteten.Womit ich auch zufrieden war, war mit der Organisation des Turniers an sich.
Wie man sehen kann, schenkten die Titelträger niemandem etwas und zwei von ihnen landeteten auf dem 1. und 2. Platz. Auch ansonsten gab es gerade in meiner Gruppe sehr wenige kurze Remis.
Eine einzige Kuriosität gab es in Runde 6. Zwei Spieler beendeten ihre Partie wirklich unglaublich schnell und ich sah gar nicht was passierte. Am Ende sah ich auf dem Ergebnispapier, dass die Schiedsrichter -:- als Ergebnis eingetragen hatten – was bedeutet das? Das bedeutet, dass beide Spieler 0 Punkte bekommen, als wären sie nicht angetreten. Aber ich hatte ja gesehen, dass beide am Brett waren! Nachdem ich mich einige Zeit auf meine Partie konzentrierte, ging ich der Sache nach dem Ende der Partie auf den Grund. Es stellte sich heraus, dass Weiß nach 1.e4 Remis bot und Schwarz annahm. Die Partie kann aber erst Remis ausgehen, nachdem beide Seiten gezogen haben, dementsprechend bekamen sie beide eine Null. Da für beide keine Normen mehr möglich waren und beide sehr ähnliche Elozahlen hatten, hatte es praktisch nahezu keine Folgen, dennoch fand ich es positiv, dass die Regeln befolgt wurden und nicht einfach gesagt wurde “Schreibt doch noch schnell einen schwarzen Zug auf”.
Im Anschluss an das Turnier ging es wieder nach Baku und dort begann ich direkt die Arbeit nachzuholen, die in den Tagen zuvor liegen blieb. Ich hoffe nämlich noch dieses Jahr den 1. Teil meines 1.e4-Repertoires auf Chessable zu veröffentlichen und da ging es an die Videoaufnahmen. Allerdings nur für ein paar Tage, denn am 2. Dezember ging es für mich schon nach Doha zum Qatar Masters Open! Das war lange Zeit gar nicht so geplant, aber während meiner Zeit als Sekundantin beim Frauen Grand Prix in Kasachstan war ich so neidisch, dass ich beim Schach spielen nur zuschauen konnte, dass ich mich kurzerhand entschied, den Organisatoren vom Qatar Masters zu schreiben und nach Konditionen zu fragen. Ich bekam eine positive Rückmeldung und buchte direkt meine Flüge. Kurz vor dem Turnier zweifelte ich ein bisschen, ob das eine gute Entscheidung war, denn das Turnier in Budapest war recht anstrengend und auch in den Tagen danach bekam ich wenig Erholung. Allerdings war ich schon bei der Ankunft in Doha recht glücklich mit meiner Entscheidung, denn meine Unterkunft war das “The Torch Doha” und damit wohl eines der besten Hotels des Landes. Die Zimmer waren schön und das Essen war fantastisch, zudem war der Spielsaal nur 5 Minuten zu Fuß entfernt.
Auch schachlich war das Turnier natürlich ein Highlight, denn das Turnier war nur offen für Spieler mit Elozahl über 2300(in der Praxis war die Grenze eher 2200, aber das ändert wenig an der Aussage). So war klar, fast egal wie man spielt, die Gegner sind jede Runde stark.Auch diese Partien teilte ich auf meinem Youtubekanal, deshalb auch hier nur ein paar kritische Momente:
Nachdem ich lange am Drücker war, bekam ich nun eine echte Chance, die Partie zu gewinnen. Allerdings gibt es nur genau einen Weg: 46. f5! gxf5 47. d6 Sf8 48. h4 (diesen Zug habe ich nicht gesehen). Die Idee ist, dass Weiß im Anschluss Lh3 spielt und den f-Bauern und den h-Bauern wegnimmt und am Ende läuft der weiße h-Bauer durch. Stattdessen spielte ich 46. d6 f5 47. Lg2 Kc4 48. Lc6 Sf8 und leider macht Schwarz gerade so Remis.
Hier war ich taktisch irgendwie nicht auf der Höhe. Ich dachte Weiß droht nichts und ich kann einfach weiter abwarten und spielte 58...Le4, aber nach 59. Lb3 kann ich Le6, Ke5 und Lxf5 nicht mehr verhindern und musste bald aufgeben. Stattdessen konnte ich aber Remis forcieren mit: 58...f4 39.gxf4 Lb5 und weil der schwarze König auf Patt steht, kann der schwarze Läufer den weißen für immer verfolgen.
Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass mein Gegner meinen Zug hier völlig übersehen hat und so tun wollte, als wäre er nicht überrascht worden. Deshalb schlug er fast ohne nachzudenken 52. Txc5, aber das Läuferendspiel ist recht leicht Remis für Schwarz. Stattdessen konnte er mit 52. Th7+ Kg8 53. Lg6 einfach die Türme auf dem Brett behalten und hätte sehr gute Chancen gehabt, die Stellung zu verwerten.
Auch hier sehen wir wieder, ich ließ die eine oder andere Chance aus, aber meine Gegner auch.
Auffällig war, dass meine Partien deutlich länger waren als sonst, sechs der neun Partien waren über 40 Züge lang(für meine Verhältnisse ist das ziemlich viel). Außerdem folgten die meisten partieentscheidenden Fehler eben auch am Ende dieser Partien. Müdigkeit spielte also bei mir und auch meinen Gegner eine wichtige Rolle. Ich muss sagen, dass dieses Turnier wohl das anstrengendste war, das ich je gespielt habe, denn nicht nur waren alle Gegner sehr stark, sondern auch waren alle unglaublich gut vorbereitet. Ich denke, ich habe noch nie ein Turnier gespielt, bei dem alle neun Gegner gute Vorbereitung hatten. Das erhöht natürlich den Aufwand vor der Partie, aber das war es auf jeden Fall wert. Ich habe eine Menge interessante und lehrreiche Partien gespielt und kann hoffentlich für meine nächsten Turniere einiges dafür mitnehmen.Tatsächlich ist momentan erstmal kein klassisches Turnier geplant und dieses Jahr steht nur noch die Blitz- und Schnellschach-WM in New York an.
Hier noch ein paar Eindrücke vom Ruhetag:
Bilder
1. Reihe: Old Port Doha, Graffitis und Pearl Island mit Monika Socko, Alicja Sliwicka 2. Reihe: Pearl Island, Nationalmuseum (wir waren nicht drin) 3. Reihe: Bester Hummusaller Zeiten, Besuch Imam ibn 'Abd alWahhab Moschee, Besuch Souq Waqif(Markt, es werden nicht nur Kamele verkauft :) Ich wünsche euch eine frohe Weihnachtszeit und werde mich hoffentlich mit guten Ergebnissen aus dem kalten New York wiedermelden! Eure Josefine
Danke! Mir Grüßen aus Transilvania von herby
danke für den blog,schöne reiseimpressionen,das schach hatte ich schon verfolgt.Alles gute für den big Apple und ein schönes Fest und ein gutes neues Jahr.