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Der Schachmonat April

Fraueneuropameisterschaft


Der April sollte wohl schachliche der anstrengendste Monat des Jahres werden und startete mit der Fraueneuropameisterschaft auf Rhodos. Diese fand bereits im letzten Jahr im gleichen Hotel statt und da viele Spielerinnen nicht besonders begeistert waren und wir Kosten sparen wollten, teilten Jana Schneider, Fiona Sieber und ich uns eine Ferienwohnung circa 15 Minuten vom Spielsaal entfernt.

Leider gibt es im März noch keine Direktflüge aus Deutschland nach Rhodos, daher reisten wir alle über Athen an. Die Anreise verlief gut, leider erwartete uns sehr schlechtes Wetter - Regen, Regen, Regen. Das zog sich durchs ganze Turnier und so wurden wir mehr als einmal kalt erwischt und wurden von oben bis unten nass. Aber kommen wir zum Turnier: Es ging alles ganz gut los, mit 3,5/5 und qualitativ guten Partien konnte ich nicht klagen. Vor dem Ruhetag spielte ich dann gegen GM Elina Danielian, gegen die ich erst 2024 zwei Partien verloren habe(jeweils letzte Runde der Frauen-EM und der Olympiade). Die Eröffnung lief sehr gut, doch dann zögerte ich zu sehr einen Bauern zu opfern:

Diagramm 1: Stellung nach 12. Lxf3
Diagramm 1: Stellung nach 12. Lxf3

12...d4 ist hier sehr stark, falls Weiß 13.exd4 spielt, folgt 13...Te8+ 14.Kf1 Da5 und Schwarz droht mit ...Lf5 den weißfeldrigen Läufer zu aktivieren. Schwarz hat mehr als genug Kompensation und Weiß sollte auf diese Variante verzichten und das Bauernopfer lieber ablehnen. Ich spielte stattdessen 12...Le6 und erhielt eine typische Isolanistellung, in der Weiß wohl etwas angenehmer steht. Später verpasste ich eine Chance Remis zu forcieren und verlor diese Partie.




Mit 3,5/6 war ich vor dem Ruhetag natürlich nicht ganz zufrieden, aber es war zumindest noch viel drin. Am Ruhetag wollte ich mit Jana Schneider die Altstadt genießen, doch nicht lange nachdem wir die Wohnung verließen, zog ein Gewitter auf und der Regen zwang uns bald zurück in unsere Ferienwohnung. Nach dem Ruhetag wurde es leider nicht besser und ich verfiel in alte Muster und scheiterte daran, einige gute Stellungen zu verwerten:

Diagramm 2: Stellung nach 27...Lh4
Diagramm 2: Stellung nach 27...Lh4

In dieser Stellung sollte ich mit 28.gxf5 die Qualität opfern: 28...Sg3+ 29. Txg3 Lxg3 30. Tg1 Lh4 31. Tg4 Lf6 32. fxe6 und die beiden weißen Läufer sind sehr stark, weil Weiß jederzeit die Stellung mit c4 und e4 öffnen kann. Dazu hat der schwarze König Probleme. In der Partie war mir das Opfer allerdings nicht so klar und daher entschied ich 28. Lxe4 zu spielen, allerdings tauscht sich nach 28...fxe4 zu viel und die Partie endete bald Remis.




Diese verpasste Chance ärgerte mich zwar, tat aber nicht so weh, da die Stellung nach dem Qualitätsopfer auch nicht völlig gewonnen ist. In der nächsten Partie sah das aber anders aus:

Diagramm 3: Stellung nach 53.b6
Diagramm 3: Stellung nach 53.b6

Ich hätte die Partie bereits vorher mehrfach klar gewinnen können, aber das hier war meine letzte Chance. Ich sollte unbedingt den c4-Bauern behalten:

53...Th6 54. b7 Th8 55. Kc6 Kf4 und Schwarz holt erst den Bauern auf f2 ab und gewinnt anschließend das Rennen zum c3-Bauern.

Stattdessen spielte ich 53...Th1 und nach 54. Kxc4 Tc1 55. Kd5 Txc3 56. b7 Tb3, endete die Partie bald Remis.





Diese Partie war wirklich ärgerlich, denn ich hatte mehr als einmal die Chance zu gewinnen und die meisten Gewinnwege waren auch nicht allzu schwer. Die neunte Runde endete dann recht ereignislos Remis und in der 10. Runde verlor ich ein ausgeglichenes Endspiel recht unnötig. Doch der eigentliche Supergau folgte in der letzten Runde:

Diagramm 4: Stellung nach 48...Kh7
Diagramm 4: Stellung nach 48...Kh7

Nach einer gut geführten Partie gewann ich drei Bauern und landete in dieser Stellung. Weiß kann hier viele Züge spielen, rückblickend würde ich wohl 49. Tg2 wählen, sodass man anschließend f4 spielen kann und Schwarz hat keinerlei Gegenspiel.

Stattdessen spielte ich 49. f4 Dh2+ 50. Tg2 Txf4+ 51. gxf4 Txf4+ und hier wählte ich statt 52. Ke1 (was noch irgendwie gewonnen hätte) 52. Dxf4 in der Hoffnung, dass meine Gegnerin die Stellung mit schwachem König und Dame gegen zwei Türme nicht mit wenig Zeit auf der Uhr verteidigen könnte.


Diagramm 5: Stellung nach 86...Db8
Diagramm 5: Stellung nach 86...Db8

Allerdings verteidigte sie sich gut und viele Züge später erreichten wir die Stellung in Diagramm 5. Hier hatte ich die Möglichkeit mit 87. Kh1 die Stellung zu wiederholen, aber ich wollte noch einen letzten Versuch wagen, bevor ich die Partie Remis gebe und spielte 87. Kg1??, doch nach 87...Dxg3 88.Txg3 a2 musste ich aufgeben, denn der Bauer ist nicht aufzuhalten.

Ein sehr schmerzhaftes Ende eines bis dahin enttäuschenden Turnieres. Am Ende standen 5 Punkte auf 11 Runden zu Buche und ein saftiges Elominus. Im Nachhinein fiel mir auf, dass ich noch nie eine gute Frauen-EM gespielt habe. Leider gibt es Turniere, die einem einfach nicht liegen, aber ich wünschte es wäre ein anderes... Glücklicherweise bekam ich wenige Tage später beim Grenkeopen die Chance, es wieder besser zu machen.


Grenke Open


Das Turnier startete gut für mich, die erste Runde konnte ich nach einigen technischen Schwierigkeiten und langem Kampf gewinnen und in Runde 2 hielt ich eine schlechte Stellung Remis.

In Runde 3 hatte ich einen interessanten Königsinder auf dem Brett, in dem mein Gegner ein wichtiges strategisches Motiv verpasste:

Diagramm 6: Stellung nach 15...Se5
Diagramm 6: Stellung nach 15...Se5

Hier konnte ich 16.c5! spielen und somit drohen, die schwarze Struktur enorm zu schwächen. Mein Gegner fand nichts besseres als 16...Tc8 und nach 17. Db3 Tb8 18.cxd6 Dxd6 19. Lg5 Dc5+ Le3 hat Weiß eine sehr starke Initiative. Es wäre natürlich zu schön, diese Stellung sauber nach Hause zu fahren und so wickelte ich bald in ein Endspiel ab, das alles andere als klar gewonnen war und musste noch einige Stunden arbeiten, bis ich den vollen Punkt mitnehmen konnte. Die vollständige Partie habe ich bei Youtube analysiert:

Auch die vierte Runde konnte ich nach sehr langem Kampf gewinnen und so sah der Start mit 3,5/4 optisch sehr vielversprechend aus, aber da ich vier eloschwächere Gegner hatte, war das aus meiner Sicht gut, aber nichts besonderes. Zudem merkte ich, dass mein Hals mit jeder Runde mehr kratzte und die Erkältung sich wohl nicht mehr aufhalten ließ, also traf ich die Entscheidung die Chance zu nutzen und ins Freestyle Open zu wechseln. Dort konnte ich zwar nicht um Preise spielen, aber durch die fehlende Vorbereitung war klar, dass das Turnier deutlich entspannter wird als das normale Open und so für meine Regeneration wohl besser wäre(es war schließlich nicht das letzte Turnier des Monats!).

Meine Erfahrungen mit Freestyle/Schach960

Ich habe in meinem Leben eine sehr begrenzte Anzahl an Schach960-Partien gespielt und diese waren auch alle Blitz- oder Schnellschach. Da ich nicht vorhatte, das Turnier zu wechseln, habe ich mich dieses Jahr auch noch gar nicht mit dieser Art des Schachs beschäftigt. Regel für den Wechsel vom einen ins andere Turnier war, dass man die Punkte aus dem Grenke Open mitnimmt, aber nicht berechtigt ist, um Preise mitzuspielen. So saß mir direkt ein sehr starker Gegner gegenüber: Matthias Blübaum. Aus der Eröffnung erreichte ich überraschend problemlos eine ausgeglichene Stellung, allerdings zeigte mir Matthias anschließend schonungslos, warum er der bessere Spieler ist.

Die Runden danach konnten sich aber sehen lassen und so erzielte ich am Ende 2,5/5, mit aus meiner Sicht recht hochqualitativen Partien:

In der Endtabelle stand ich dann aufgrund meiner zusätzlichen 3,5 Punkte aus dem Grenkeopen auf Platz 29, vor Größen wie Aronian, Niemann, Van Foreest und Tabatabaei. Da ich außer Konkurrenz startete, zählt das natürlich nicht so richtig, aber das muss man ja nicht erzählen :) Am Ende muss ich sagen, dass ich das Turnier wirklich deutlich entspannter fand, als jedes "normale" Turnier. Mir hat das vor allem gezeigt, wie körperlich anstrengend der psychische Druck ist, unter dem man in einer normalen Turnierpartie steht(oder unter den man sich selbst setzt). Natürlich macht sich auch die fehlende Vorbereitung bemerkbar, aber die ist bei Doppelrunden sowieso sehr begrenzt. Am Ende ist es einfach ein Turnier, bei dem man nichts verlieren kann, da es nicht elogewertet ist(Freestyleelo ist momentan einfach irrelevant). Dieser Zustand würde sich natürlich ändern, falls Freestyleturniere regelmäßigen Einzug in die Schachwelt finden.

Mein gutes Ergebnis hat mich sehr gefreut, aber ich bevorzuge nach wie vor klassisches Schach(vielleicht auch mal ohne Druck?) :). Es war dennoch eine sehr interessante Erfahrung.

Nach dem Turnier hatte ich drei Tage Zeit, bevor es zur Bundesligaendrunde in Deggendorf ging.

Bundesligaendrunde Das erste Mal seit 2019 wurde die Endrunde der Frauenbundesliga und der Bundesliga wieder zusammen ausgetragen und so entstand ein großes Event. Für meine Mannschaft OSG Baden-Baden ging es vor allem darum, die letzten drei Matches zu gewinnen und gleichzeitig auf einen Ausrutscher der bis dahin souveränen Königshofenerinnen zu hoffen. Wir machten unseren Job am Freitag und Samstag sehr gut und gewannen mit 5,5:0,5 gegen den FC Bayern München und mit 3,5:2,5 gegen die Schachfreunde Deizisau. Allerdings machte der SC Bad Königshofen seinen Job genauso gut und gewann beide Matches, sodass die Chance auf den Titel in Runde 11 für uns eher theoretischer Natur waren: Wir mussten SK Schwäbisch Hall 6:0 schlagen und Königshofen musste 0:6 verlieren. Wenig überraschend trat keines der beiden Szenarien ein und obwohl der Hamburger SK Königshofen mit 3,5:2,5 besiegen konnte, reichte unser 3:3 natürlich nicht, um sie einzuholen. Meine Partie war dabei sehr lehrreich:

Mit 2,5/3 an diesem Wochenende, habe ich ein solides Ergebnis abgeliefert und bin froh, dass ich mich nach der Frauen-EM wieder etwas stabilisieren konnte. Auch insbesondere der Sieg am Samstag sicherte den Mannschaftssieg gegen Deizisau, sodass ich auch da etwas Positives beitragen konnte.


Für die Endtabelle bedeutete das:

Königshofen gewinnt die Liga verdient, mit sehr dominanter Performance über die Saison. Dementsprechend können wir in diesem Jahr über Silber nicht klagen und lagen aufgrund einer kurzen Schwächephase von Schwäbisch Hall auch deutlich vor ihnen. Ich finde die gemeinsam ausgetragene Endrunde der beiden Bundesligen ist ein Highlight im Terminkalender und kann nur gut für die Sichtbarkeit beider Ligen sein. Natürlich kommen viele Zuschauer, um Spieler wie Vincent zu sehen, aber wenn sie schonmal da sind, stellen sie eventuell fest, dass auch bei den Frauen eine Menge interessante Partien gespielt werden. Ich habe aber auch Leute getroffen, die vor allem wegen der Frauenbundesliga vor Ort waren und so profitieren aus meiner Sicht beide Ligen von dieser Veranstaltung.


Sowohl beim Grenke Open als auch bei der Bundesligaendrunde, haben mich wirklich viele Leute angesprochen um Autogramme zu bekommen, Fotos zu machen oder auch einfach nur zu sagen, dass sie regelmäßig meine Youtubevideos schauen. Ich habe mich wirklich über jeden einzelnen gefreut und hoffe, dass ihr die Veranstaltungen auch genossen habt und im besten Fall natürlich erfolgreich gespielt habt!

Für mich ist das nächste Turnier nicht mehr allzu weit entfernt, denn am 15. Mai startet in München die deutsche Meisterschaft! Bis dahin, Eure Josefine


 
 
 
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