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Ich habe ein Rundenturnier gewonnen!

Writer: Josefine HeinemannJosefine Heinemann

Anfang des Jahres begann ich nach einem Turnier Ende Februar/Anfang März zu suchen, sodass ich nicht völlig ohne Spielpraxis zur Fraueneuropameisterschaft nach Rhodos fahren würde. Am 6. Januar erreichte mich dann eine Einladung aus Belgrad - dort sollte vom 1.3.-9.3. die 56. Auflage des Frauengroßmeisterturnieres stattfinden. Erstmals wurde dieses Turnier im Jahr 1965 ausgerichtet. Damals gab es in Belgrad einige Spielerinnen, die in der Weltspitze mithalten konnten und um diese Spielerinnen zu fördern, wurde ein neues Turnier ins Leben gerufen. Rekordsiegerin mit 7 Turniergewinnen ist keine andere als die Ex-Weltmeisterin Nona Gaprindashvili. Heutzutage ist das Turnier zwar kein Weltklasseturnier mehr, aber dennoch bekommen junge serbische Spielerinnen die Chance, sich mit Frauengroßmeisterinnen zu messen und Normen zu erzielen. Bei einem zu erwartenden Eloschnitt von circa 2250 hielt ich das Turnier für eine gute Chance mich "warm" zu spielen und vor der EM noch etwas Spielpraxis zu sammeln, also sagte ich schnell zu.

Gespielt wurde im mathematischen Gymnasium Belgrad
Gespielt wurde im mathematischen Gymnasium Belgrad

Ich hatte mir einen tollen Plan zur Vorbereitung erstellt, der wurde dann aber von der Grippe durchkreuzt und so verbrachte ich die 5 Tage vor dem Turnier vor allem im Bett. Rechtzeitig zum Turnier verließen mich aber zumindest die Kopf- und Gliederschmerzen und ich war optimistisch, gut spielen zu können. Die Auslosung drückte meine Stimmung etwas, da ich wieder 5 Mal Schwarz bekam(das letzte Mal hatte ich in einem Turnier mehr Weißpartien im Januar 2024, und ich spiele wirklich viele Turniere!), aber zumindest startete ich direkt mit zwei Schwarzpartien, sodass das Turnier leichter werden sollte, wenn ich diese unbeschadet überstehe. Es ging auch gut los, denn in der erste Runde spielte meine Gegnerin IM Bhakti Kulkarni eine sehr harmlose Variante und ich hatte absolut keine Probleme aus der Eröffnung und die Partie endete recht ereignislos Remis.

Auch die zweite Partie gegen WIM Sofia Pogorelskikh ging gut los, da ich meine Gegnerin in der Eröffnung überraschen konnte. Statt meinem üblichen Najdorfsizilianer spielte ich 2...Sc6 und wir bekamen eine scharfe Variante der Rossolimovariante aufs Brett. Im Mittelspiel agierte ich etwas unglücklich und entschied mich in dieser Stellung eine Figur zu opfern:

Stellung nach 20.De1
Stellung nach 20.De1

20...Tb8 scheitert leider an 21. Sxh4 Dxh4 22. Sxb7 Txb7 23. De8 und die Partie ist so gut wie entschieden. Deshalb spielte ich 20...Lf6 21. Sxb7 Db8 22. Lxc6 dxc6 23.Sc5 Dxd6. Die Stellung ist natürlich immer noch schlecht, weil der weiße Springer besser sein sollte als die schwarzen Bauern, da Schwarz nicht zu ...c6-c5 kommt. Dennoch ist es nicht total trivial und meine Gegnerin verzettelte sich etwas.

Im Endspiel mit einem Springer weniger bekam ich sogar noch Gewinnchancen:





Stellung nach 56. Ke2
Stellung nach 56. Ke2

Hier gewinnt quasi jeder natürliche Zug, wie z.B. 56...Kg3 oder 56...b4. Die Grundidee ist es, dass Schwarz die weißen Figuren mit den Freibauern am Damenflügel ablenkt und dann den g-Bauern abholt und mit dem h-Bauern durchläuft. Der Springer ist sehr schlecht gegen Randbauern. Ich sah aber irgendwelche Gespenster und entschied mich hier für 56...c4. Das scheitert leider an 57.Kf2 e4 58. fxe4 Kxe4 59. Sc3+ und Weiß gewinnt den b-Bauer aufgrund der Gabel. Die Partie endete daraufhin bald Remis.

Wenn man den Partieverlauf betrachtet, war das sicher das faire Ergebnis, dennoch habe ich mich natürlich geärgert, dass ich diese Chance nicht genutzt habe.

Die gesamte Partie gibt es hier:

Meine erste Weißpartie lief da schon besser. Gegen FM Alexandra Zherebtsova spielte ich in der Eröffnung nicht super genau, erhielt aber trotzdem schnell eine angenehmere Stellung:

Stellung nach 15...Ta6
Stellung nach 15...Ta6

Schwarz versuchte den weißen Druck auf der c-Linie gerade mit 15...Ta6 zu neutralisieren, allerdings fällt auf, dass die schwarze Figurenkoordination dadurch etwas künstlich wirkt. Ich entschied mit mit 16. d4 sofort die Stellung zu öffnen und nach 16...f5 17. dxe5 fxe4 18. Rxd5 hatte ich erstmal einen Bauern mehr, den ich auch ohne größere Probleme verwertete.







In der nächsten Runde spielte ich mit Schwarz gegen WGM Elif Mehmed. Es kam eine sehr scharfe Variante der Sweschnikoveröffnung(Ja, ich bin endlich flexibler geworden mit Schwarz!) aufs Brett und im Mittelspiel verpasste ich eine gute Möglichkeit, die Initiative zu übernehmen:

Stellung nach 19. Lxb5
Stellung nach 19. Lxb5

Hier sollte ich 19...f5 spielen und sofort den geschwächten weißen Königsflügel angreifen. Es könnte 20. Db3 Lxb5 21. Dxb5 f4 folgen und Schwarz hat eindeutig eine starke Initiative. Ich entschied mich stattdessen für 19...La5 20. Db3 Lxb5 21. Dxb5 Lxc3 und trotz des Minusbauern entsteht ein ausgeglichenes Endspiel, weil Weiß nicht alle Bauernschwächen am Damenflügel verteidigen können wird. Schlussendlich ging diese Partie Remis aus. Die nächsten Runden schätzte ich als sehr kritisch ein, denn von Runde 5-7 hatte ich zwei Weißpartien gegen die elomäßig schwächeren lokalen Spielerinnen. Es ging auch gut los in Runde 5, denn ich konnte sehr schnell eine überlegene Stellung gegen WFM Vera Vujovic bekommen. Leider verkomplizierte sie die Stellung in ihrer Zeitnot ein wenig und ich fand keine gute Antwort, sodass ich am Ende nur dieses Endspiel herausholen konnte:

Stellung nach 44.f4
Stellung nach 44.f4

Der Computer ist hier recht optimistisch, dass Schwarz die Stellung halten kann, praktisch sieht die Geschichte aber anders aus. Weiß hat das Läuferpaar und einen Bauern mehr. Dazu kommt, dass der schwarze Springer nicht gut steht und das wichtigste - Schwarz kann keine klare Festung errichten. Man muss jeden Zug neu nachdenken, wo man die Figuren hinstellen sollte und das wird früher oder später zu Zeitnot führen. So konnte ich die Partie von hier auch recht leicht gewinnen, ohne dass meine Gegnerin irgendwelche offensichtlichen Fehler machte. Die nächste Runde mit Schwarz lief von Anfang an gut. Ich spielte die Slawische Verteidigung(ja, das ist auch neu!) und meine Gegnerin wählte die Abtauschvariante. Allerdings verwechselte sie wohl ihre Vorbereitung und wir bekamen schnell ein Endspiel aufs Brett, in dem ich das Läuferpaar hatte und meine Gegnerin wenig Kompensation dafür. Das war wohl meine beste Partie in diesem Turnier:

Aber auch in Runde 7 ging es schnell ins Endspiel. Ich spielte die Alapinvariante gegen WGM Irina Chelushkina und es tauschten sich schnell die Damen.


Stellung nach 11. Lc4
Stellung nach 11. Lc4

Dieses Endspiel ist gefährlicher für Schwarz als es auf den ersten Blick scheint. Die schwarzen Figuren stehen alle suboptimal und Weiß wird sehr schnell die Kontrolle über die d-Linie übernehmen. Meiner Gegnerin gelang es nicht, sich zu entknoten und 15 Züge später konnte ich entscheidendes Material gewinnen. Somit war das der dritte Sieg in Folge und ich übernahm zum ersten Mal die alleinige Führung im Turnier. In Runde 8 spielte ich dann gegen die zu dem Zeitpunkt Tabellenletzte WFM Sara Mijic. Daher entschied ich mich, auch mit Schwarz eine sehr komplizierte Stellung anzustreben und spielte die Najdorfvariante. Sie hatte Schwierigkeiten mit der strategischen Behandlung der Stellung und wir bekamen kurz nach dem Ende der Vorbereitung diese Stellung aufs Brett:

Stellung nach 24. Lxc4
Stellung nach 24. Lxc4

Aufgrund der entgegengesetzten Rochaden und der ungleichfarbigen Läufer sollte man hier auf Königsangriff spielen. Dazu opferte ich einen Bauern mit 24...e4 25.Sxe4 Sc5 und startete bald den Angriff gegen den b2-Bauern. Da der weiße Läufer so passiv ist, hat Weiß keinerlei Gegenspiel und kann nur zuschauen, wie Schwarz die eigene Stellung verbessert. Von hier verlief die Partie wie von selbst und ich gewann problemlos.

Mit diesem Sieg gewann ich tatsächlich auch das Turnier schon eine Runde vor Schluss, weil Bhakti Kulkarni nur Remis spielte und ich so bereits einen Punkt Vorsprung hatte und die bessere Feinwertung. Dennoch wollte ich natürlich in der letzten Runde mit Weiß gegen WIM Jovana Srdanovic nochmal schauen was geht. Leider lief die Eröffnung hier gar nicht gut und ich erhielt schnell eine unangenehme Stellung. Meine Gegnerin war aber nicht allzu ambitioniert und bot schnell Remis. Das nahm ich dankend an und beendete damit das Turnier mit 7/9 auf dem alleinigen ersten Platz. Zusätzlich gibt es 34 Elopunkte und mit einer Performance von 2452 kann ich voll und ganz zufrieden sein. Dazu gab es noch etwas Preisgeld und einen Laptop.

Das war übrigens mein erster Turniersieg seit der U18w-Meisterschaft 2015(abgesehen von Kenia 2023, aber das war natürlich vom Niveau nicht vergleichbar), dementsprechend bin ich doppelt glücklich :)

Als nächstes steht für mich die Frauen-EM ab 31.3. auf Rhodos an und ich hoffe, dass ich dort ähnlich gut spielen kann, denn natürlich ist das Ziel die Qualifikation für den Weltcup und dazu muss ich unter die ersten 10 kommen.

Bis dahin wünsche ich euch einen schönen Frühlingsanfang, Josefine

 
 

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